Neustart statt Update: Googles merkwürdige und wenig erfolgsversprechende Strategie; zwei aktuelle Beispiele

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Google deckt mit einer großen Auswahl eigener Apps zahlreiche Bereiche ab und scheut bekanntlich nicht davor zurück, Experimente zu wagen, große Umbauten durchzuführen und diese bei Misserfolg auch nach längerer Zeit wieder zu beerdigen. In einigen Fällen hätte man sich die Umbauarbeiten allerdings besser gespart und keine wertvolle Zeit mit unnötigen Nachbauten verschwendet. Das zeigt sich derzeit recht gut an den Beispielen von Android Messages und YouTube Music.


Die meisten großen Unternehmen haben sehr viele Produkte im Portfolio, entwickeln diese immer weiter, schaffen neue Produkte und stellen diese bei Misserfolg auch wieder ein – soweit so gewöhnlich. Das ist auch bei Google nicht anders und aus wirtschaftlicher Sicht absolut nachvollziehbar, allerdings bietet Google eben Plattformen oder Apps an, die die Nutzer lange Zeit nutzen und ihre Daten darin ablegen. Es ist nichts, das man kaufen und dann eben nicht mehr nachkaufen kann, sondern es ist einfach weg.

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Google hat derzeit viele große Baustellen, die von vielen Nutzern vielleicht nicht als solche wahrgenommen werden, aber tatsächlich eigentlich in wichtigen Geschäftsbereichen aktiv wären, in denen man die Konkurrenz durch das eigene ständig-im-Kreis-drehen davon ziehen lässt. In diesem Artikel möchte ich das an den Beispielen im Bereich Messenger und Musikstreaming festmachen. In beiden Märkten war Google sehr früh aktiv, teilweise noch vor der Gründung der heute größten Konkurrenten. In beiden Bereichen hat man aber auch große Probleme und viele Entwicklungen einfach verschlafen.

YouTube Music wird derzeit zur Google Play Music-Kopie ausgebaut, was man sich locker zwei Jahre Arbeit hat kosten lassen, die effektiv nichts vorangebracht hat. Das Gleiche gilt für die Messenger-Entwicklung, die gefühlt schon ein Dutzend mal von vorne begonnen hat und jedes Mal bei Null beginnt. Die Konkurrenz freut sich natürlich, dass ein eigentlich so potentes Unternehmen wie Google sich selbst aus dem Rennen nimmt und damit beschäftigt ist, sich ständig im Kreis zu drehen.

Natürlich habe ich keinen Einblick in die Google-Strategien und am Ende ergibt sich ein perfektes Gesamtbild, aber als langjähriger Beobachter des gesamten Unternehmens weiß ich, dass das zu 99 Prozent nicht der Fall ist. Viel mehr liegt es wohl am Promoter-Problem, das wir euch vor einiger Zeit schon einmal sehr ausführlich dargelegt haben.



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YouTube Music & Google Play Music

Es ist kaum zu glauben, aber Google Play Music würde im nächsten Jahr schon den zehnten Geburtstag feiern – den die Plattform aber sehr wahrscheinlich nicht mehr erleben wird. Google hat die Plattform ursprünglich als Cloudspeicher für die Musiksammlung der Nutzer gestartet, die ihren gesamten MP3-Bestand (und andere Formate) hochladen und so über die Cloud auf vielen verbundenen Geräten abspielen konnten. Die Möglichkeit zum Kauf einzelner Titeln und Alben sowie das Streaming kamen erst später dazu.

Im Sommer 2018 hat Google dann angekündigt, Google Play Music durch YouTube Music zu ersetzen – was bis heute nicht vollständig umgesetzt werden konnte. Seit zwei Jahren, vielleicht auch schon länger, versuchen Googles Entwickler sich daran, alle Funktionen von Google Play Music in YouTube Music nachzubauen. Mittlerweile hat man große Fortschritte gemacht und gerade erst eine ganz neue Struktur für alle Inhalte geschaffen. Das Ziel ist also bald erreicht.

Betrachtet man die gesamte Entwicklung nun rückblickend, muss man sich fragen, wofür Google ganze zwei Jahre verschwendet hat, in denen Spotify, Apple Music, Amazon Music und wie sie alle heißen immer mehr Nutzer für sich gewinnen konnten. Man hat Google Play Music in YouTube Music nachgebaut – zwar nicht als exakte Kopie, aber die beiden Plattformen werden sich immer ähnlicher. Der größte Unterschied ist aktuell, dass bei YouTube Music die Musikvideos mit eingebunden wurden (die ohnehin kaum jemand haben möchte) sowie die neue Darstellung der Songtexte.

Weiterentwickeln statt von vorne beginnen?
Wäre es nicht besser gewesen, Google Play Music einfach weiterzuentwickeln? Die Musikvideos hätte man sicher auch auf diesem Weg problemlos einbinden können und hätte dafür keine zwei Jahre Entwicklungszeit benötigt. Etwas völlig von vorne zu beginnen und dann den Vorgänger nachzubauen zeugt nicht unbedingt von einer effektiven Strategie. Natürlich kann man intern mal von vorne beginnen, aber das muss der Nutzer ja nicht bemerken.

Nun hat man also zwei identische Plattformen, hat durch den ewig langen Umbau viele Nutzer vertrieben und kaum neue gewonnen und wird nun schon bald die Einstellung der populären Plattform verkünden. Was hat es am Ende gebracht? Ich kann es nicht beantworten. Selbst das Team von Google Podcasts hat sich nicht sonderlich davon begeistert gezeigt, dass Google Play Music dem eigenen Angebot Konkurrenz macht. Das Statement findet ihr in diesem Artikel.

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Android Messages & zahlreiche Vorgänger
Googles Messenger-Geschichte füllt Bücher. Aktuell ist für Privatnutzer vor allem Android Messages im Fokus, während Google Duo ein bisschen abseits der Messenger-Entwicklung steht und vielleicht genau deswegen große Erfolge feiern kann. Man kann für Duo nur hoffen, dass es auch weiterhin eine gewisse Form der Eigenständigkeit bewahrt und nicht durch die Hangouts-Pläne irgendwann in den gleichen Strudel gerät.

Android Messages hat als SMS-App begonnen und war ganz objektiv betrachtet die bescheidenste Messenger-App. Dennoch hat sich Google dazu entschlossen, Produkte wie Hangouts oder Allo einzustellen und mit dieser App, die auch schon mehrfach umbenannt wurde, von vorne zu beginnen. Man baut also erneut zahlreiche Funktionen nach, die in den Google-Messengern schon vor vielen Jahren zu finden waren. Bis man irgendwann einmal den schon vor langer Zeit angebotenen Funktionsumfang erreichen wird, könnte schon wieder alles über den Haufen geworfen sein.

Wenn ein Produktname verbrannt ist, muss man vielleicht einmal von vorne beginnen – mit Betonung auf „einmal“. Doch heute ist für Google der gesamte Messenger-Bereich verbrannt und auch der Dutzendste Neustart muss schon sehr viele Innovationen aufweisen, um für die Nutzer überhaupt in Betracht zu kommen. Haben sich die Neustarts also gelohnt oder hätte man einfach einmal die ganze Energie und Zeit darin investieren sollen, bestehende Messenger weiterzuentwickeln? Die Antwort überlasse ich euch. Denken wir nur mal, wo Hangouts, das schon lange eingestellte Talk oder gar Allo heute stehen könnten. Schade, wirklich schade. Und erst vor wenigen Tagen hat Google den Markennamen Hangouts für G Suite-Nutzer begraben und schon wieder das nächste Kapitel geöffnet. Sicher nicht das letzte.

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comment 2 Kommentare zum Thema "Neustart statt Update: Googles merkwürdige und wenig erfolgsversprechende Strategie; zwei aktuelle Beispiele"

  • Google Talk war seinerzeit toll. Einfach. War vorinstalliert. Wurde verbrannt. Hangouts war Usabilityirrsinn, bescheiden zu benutzen.
    Google+ und Hangouts dann verwoben. Bescheiden.

    Picasa war genial für die damalige Zeit. Wurde Ewigkeiten parallel neben Fotos betrieben, dann nicht mehr entwickelt. Integration in Google+. Eine Zeit unbenutzbar dadurch. Google Fotos ist OK, aber bietet keine Verwaltung und Bearbeitung offline. Picasa hätte problemlos das kleine Lightroom werden können.

    Google Maps wird aktuell missbraucht. Unternehmen können Events und Produkte eintragen. Nutzer können Unternehmen folgen. Das kennt kaum jemand, interessiert aber auch absolut niemand. Da hat man toten Google+ Code anscheinend wiederverwenden wollen. Ich verwalte ne bekannte Marke. Testweise mehrere Artikel dort eingestellt. 12 Ansichten maximal in einem Monat. Die Hälfte davon wahrscheinlich durch Tests und Kollegen. Irgendwann wird Maps zu überladen, für mich jetzt schon.

    Google Music war toll, seit der Veröffentlichung benutzt. Aber als angekündigt wurde, dass es eingestellt wird, war ich weg. YouTube Music unbenutzbar, einfach schlechte Oberfläche. Premium um nebenher Musik hören zu können. Dazu wird es bei diversen Music Passes der Provider nicht unterstützt.

    Grundsätzlich finde ich es gut wenn Google seine eigenen Dienste unattraktiv macht und abschafft. Monopole gehören zerschlagen. Google macht das selbst. Ich sag immer indische Premium Qualität 😂

  • Google ist einfach zu groß und ineffizient geworden, zudem haben sie aus meiner Sicht ein sehr eigens Verständnis von Usability und Design.

    Ich war jahrelang Nexus-Nutzer und dann kamen die überteuerten Pixel-Phones, da war ich dann ein für alle male weg von Google-Phones.

    Ich habe von Beginn an Gmail auf allen Handys und Computern genutzt, dann begannen sie mit Inbox, Versprechungen und Features, die niemand brauchte, aber andere Dinge, die man brauchte gab es nicht, dann wieder zurück usw. Das war ich leid und dann ein für alle Male weg von Gmail, samt der Entfernung von 8GB Daten.

    Ich habe immer Hangouts gebraucht, dann begann der Messenger Unfug und dann war ich ein für alle Male weg von Google-Messenger.

    Ich habe immer Google Music genutzt, sobald erklärt wird diesen einzustellen, dann bin ich weg von jeder Art von Nachfolger.

    Ich nutze seit Beginn Google Fotos, sobald erklärt wird, dass es Premium Features nur für Pixel-Phones gibt werde ich weg.

    Vermutlich wird das so weiter gehen und ich eine App nach der anderen ersetzen.

    Google versteht einfach nicht was die User wollen. Machen ein Phone mit einem Firlefanz von Radar-Sensor aber verbauen einen Akku der einen kaum über einen Tag bringt. Dann wundern sie sich, dass das Gerät nicht verkauft wird. Hätte das Phone nicht die gute Kamera, wäre es der totale Rohrkrepierer geworden.

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