Dominant und fragil zugleich: Was würde passieren, wenn sich Huawei, Samsung & Co von Android lösen?

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Bis auf einige wenige Nischenprodukte gibt es weltweit nur zwei Smartphone-Betriebssysteme, die gerundet zusammen auf einen Marktanteil von 100 Prozent kommen. Android beherrscht den Markt vor iOS mit gut 85 Prozent, ist aber vor allem von den großen Smartphone-Herstellern abhängig, die Googles Betriebssystem Vorinstallieren. Aus aktuellem Anlass sollte man aber mal darüber nachdenken, wie fragil dieses aktuell sehr dominante Konstrukt eigentlich ist.


Der Android-Markt ist seit Jahren eine Win-Win-Win-Situation für alle Seiten: Google stellt allen Smartphone-Herstellern das eigene Betriebssystem zu großen Teilen kostenlos zur Verfügung und erhält dafür eine extrem hohe Verbreitung. Die Hersteller wiederum müssen sich kaum um die Software-Seite kümmern und nur die selbst gewählten Anpassungen vornehmen. Die Nutzer bekommen überall die gleiche Plattform geboten und können bis auf einige Ausnahmen leicht den Hersteller wechseln, ohne völlig von vorn beginnen zu müssen.

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Das beschriebene Android-Konstrukt hat in den vergangenen Jahren einige Risse bekommen, denn die Hersteller haben irgendwann bemerkt, dass sie Google in vielen Punkten ausgeliefert sind und sich an die vorgegebenen Rahmenbedingungen halten müssen. Dennoch käme kein Hersteller auf die Idee, sich von Android abzuwenden, da die Nutzer nicht auf das Betriebssystem, den Play Store und auch die Google-Apps verzichten möchten. Wer kein Android vorinstalliert, außer natürlich Apple, der hat am Markt keine Chance – das ist zumindest die vorherrschende Meinung, die durch den Windows-Flop vor einigen Jahren auch Microsoft nicht ändern konnte.

Dennoch haben alle großen Hersteller eines oder vielleicht sogar mehrere Asse im Ärmel, die sie im Notfall ausspielen könnten. Einen Alleingang kann sich aber kein Hersteller leisten und zweigleisig zu fahren wird Google mit diversen Vorgaben zu verhindern wissen. Zumindest hat es beispielsweise Samsung bis heute nicht geschafft, ein Smartphone mit Tizen weltweit und dauerhaft auf den Markt zu bringen. Aber wenn der Notfall dann mal eintritt, spielt das keine Rolle mehr.

Huawei wurde von der US-Regierung vor wenigen Tagen auf die Handels-Blacklist gesetzt und läuft dadurch Gefahr, die Android-Lizenz und somit das genutzte Betriebssystem zu verlieren. Es ist zwar nicht ganz so dramatisch wie im Fall ZTE, aber grundlegend ist man nun vom Wohlwollen der Regierung abhängig.



Die Smartphone-Hersteller sind vorbereitet…
Huawei hat schon mehrmals ganz bewusst öffentlich verkündet, eine Alternative zu Android in der Hinterhand zu haben, die man im Falle eines Verlustes der Android-Lizenz zum Einsatz bringen wird. Ziemlich sicher handelt es sich dabei um einen eigenen Android-Ableger, der bis auf den Verlust der Google-Apps erstmal kaum Änderungen bringen würde. Auch Samsung arbeitet seit Jahren am bereits angesprochenen Tizen und hat das Betriebssystem auf anderen Plattformen von der Smartwatch bis zum Smart TV bereits im Einsatz – die Entwicklung ist also nicht zum Stillstand gekommen. Mit Sicherheit hat ein Unternehmen wie Samsung auch entsprechende Pläne in der Schublade, Android durch Tizen ersetzen zu können.

Nach den aktuellen Marktanteilen würde Android mit einem Verlust von Huawei gut 17 Prozent des Marktes verlieren. Sollte sich Samsung der Gunst der Stunde anschließen, denn so ein „perfekter“ Moment zum Wechsel kommt so schnell nicht wieder, sind weitere 21 Prozent verloren. Das ist zwar sehr hypothetisch, aber für Google wäre ein Verlust von einem Drittel des Marktes eine Katastrophe. Noch schlimmer ist es, wenn man sich die weiteren Top 5-Hersteller ansieht: Xiaomi, Oppo und Vivo kommen allesamt aus China und verkaufen auf dem Heimatmarkt Android-Smartphones ohne Google-Dienste. Das weltweit umzusetzen, wäre für sie kein großes Problem – wenn die Kunden mitspielen.

Ein alternatives Betriebssystem hat praktisch jeder Hersteller in der Hinterhand – nämlich Android ohne Google. Das Android-Projekt ist frei verfügbar und kann von jedem Hersteller verwendet werden, ohne in irgendeiner Weise mit Google eine Geschäftsbeziehung aufzubauen. Dann fehlen zwar die Apps, der Play Store und die wichtigsten Play Services, aber als absoluter Notfall ist das erst einmal ein kleiner Strohhalm – funktioniert ja in China auch.

… die Nutzer aber nicht
Kommt also die Gunst der Stunde, die durch den Fall Huawei angestoßen werden könnte, sähe es für Google auf dem Papier ganz schnell sehr eng aus. Allerdings darf man dabei nicht die Rechnung ohne die Nutzer und Kunden machen. Würden sie ein Google-freies Smartphones tatsächlich akzeptieren und kaufen wollen? Für viele Google-Dienste gibt es Alternativen, teilweise auch bessere, aber eben nicht für alle. Der Play Store ist in seiner Fülle konkurrenzlos und stets das wichtigste Argument für ein Android MIT Google.

Aber auch die Google Websuche ist für viele Nutzer unverzichtbar und der Google Assistant ist auf dem Weg dahin, sich ebenfalls ganz tief in den Alltag der Nutzer zu integrieren. Und mit Diensten wie YouTube ist es Google nahezu im Alleingang gelungen, aufkommende Alternativen wie Windows Phone zu zerstören. Fraglich ist natürlich, ob Google diese Dienste frei für andere Plattformen zur Verfügung stellen würde. Tut man das nicht, wäre es kaum vorhersehbar, wofür sich die Nutzer entscheiden.

Wollen die Nutzer ein Samsung oder Huawei? Oder wollen sie ein Google-Android? Für viele Menschen ist das kein Unterschied, aber wenn es dann mal zu einer Trennung kommen sollte, wird sich zeigen, welche Marke die jeweils stärkere ist. Oder bekommen dann all die kleineren Hersteller mächtigen Aufwind? Wenn die großen Smartphone-Hersteller in Rekordzeit eigene global konkurrenzfähige App Stores aufbauen können, wäre die Wahl vielleicht gar nicht so einfach.



Funktioniert Googles Geschäftsmodell ohne Android?
Android ist für Google von immenser Bedeutung, denn die Dominanz vieler mobilen Produkte hat man dem Android-Erfolg zu verdanken. Wie sich die vielen mobilen Google-Produkte ohne Android schlagen würden, mussten sie bisher noch nie unter Beweis stellen. Die aktuelle große Monetarisierungswelle in den Google-Apps zeigt jedenfalls, dass die mobilen Plattformen die immer stärkeren Verluste vom Desktop abfedern müssen.

Für Google können negative Entwicklungen rund um Android also dramatische Auswirkungen haben, weswegen man das Betriebssystem natürlich mit allen Mitteln verteidigt. Dennoch musste man bereits die Regeln in der EU ändern und erst vor wenigen Tagen wurde auch auf dem indischen Markt eine Untersuchung gegen Android gestartet, da Googles Betriebssystem dort einen Marktanteil von 99 Prozent erreicht hat. Der Ausgang ist völlig offen und könnte erneut zu Anpassungen führen.


Ich gehe davon aus, dass es zu dem Szenario eines Android-Abschieds so schnell nicht kommen wird, aber alle großen beteiligten Smartphone-Hersteller sowie Google müssen allein schon aus strategischer und wirtschaftlicher Sicht darüber nachdenken und jeweils einen Plan B in der Schublade haben. Diese Pläne werden sie natürlich nicht kommunizieren, aber der aktuelle Fall zeigt, dass es dann doch schneller gehen kann als gedacht und das ohne, dass einer der Beteiligten den Bruch überhaupt ernsthaft provoziert hätte.

Bericht: Google hat Huawei mit sofortiger Wirkung die Android-Lizenz entzogen

Siehe auch
» Fuchsia: Googles neues Betriebssystem wird wohl als Smart Home & Internet of Things-Plattform starten

» Android R: Plötzlich doch machbar – Googler spricht erstmals über Android R und kündigt Scrollshots an




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comment 9 Kommentare zum Thema "Dominant und fragil zugleich: Was würde passieren, wenn sich Huawei, Samsung & Co von Android lösen?"

  • Ich glaube ganz so einfach ist das für Huawei und Konsorten dann doch nicht, die meisten Menschen in meinem Umfeld die Androit Phones nutzen sind sich nicht wirklich bewusst was Android bedeutet und sind ausschließlich ihren Playstore gewohnt.
    Die würden kein neues OS bevorzugen nur weil es nicht Android ist und vorteile würde so ein weiteres OS Ökosystem, welches ja winzig klein im Gegensatz zu Android und der Auswahl im Playstore wäre, auch nicht mit sich bringen.
    Die meisten Nutzer pfeifen auf Updates ihres Smartphone weil sie angst davor haben das sich was zu stakt verändert und kaufen eh alle zwei Jahre ein neues Gerät.
    All die schon bekannten und gern genutzten Apps, all die Apps die man über Jahre erworben hat müssten erstmal über Bord geworfen werden, oder zumindest neu gekauft werden.
    Und dann ist da noch die große frage ob die App Entwickler sich darauf einlassen würden ihre Apps für noch mehr Systeme zu programmieren, eine gute und erfolgreiche App muss ja eh schon für Android und iOS entwickelt und mit Updates versorgt werden.

    • Ich könnte mir vorstellen, dass Google Mittel und Wege hat, deren Nutzung zu sperren. Bisher hatte man das geduldet, ist ja toll wenn die Nutzer freiwillig die Google-Dienste verwenden wollen, aber wenn eine Sanktion dahintersteht, könnte man einfach alle nicht genehmigten Huawei-Smartphones aussperren. Kam bisher zwar noch nicht vor, aber denkbar ist es auf jeden Fall.

  • Es wird Zeit zu erkennen, dass einseitige Übermacht irgendwann zu ‚Erpressungen‘ führen kann und wird. Aus meiner Sicht wäre es gut, wenn eine Android bzw. Google Alternative entstehen würde. So gerne ich damit arbeite, so würde ich eine Alternative doch unterstützen, auch wenn ich auf das Eine oder Andere zumindest vorübergehend verzichten müsste. Vielleicht ist jetzt die Zeit dafür.

    • Ich würde es ebenfalls bevorzugen wenn es mehr alternativen gäbe, Konkurrenz belebt das Geschäft.
      Momentan haben wir zwei wirklich verbreitete OS Systeme und beide sind in Amerikanischer Hand, und was das bedeuten kann haben wir ja gestern Abend/heute Nacht gesehen.
      (Ach ja, mein Kommentar oben war noch vor der Meldung, dass Google sich von Huawei geschäftlich trennt)

  • Stellt euch mal vor, Microsoft würde vielen PC Herstellern verbieten ihr Betriebsystem zu nutzen, ob kostenlos oder monetarisiert. Dann gäbe es nur Apple als Hardware-Hersteller mit eigenem Betriebssystem. Windows würde nur auf Microsoft-eigenen-Geräten laufen. Sicher gibt es noch die Linux und Ubuntu Fraktion, aber wie viele Menschen weltweit nutzen denn diese Open Source Alternativen?
    Nun übertragt dieses Szenario auf die Smartphone und Tablet Welt. Wenn Android nur auf Huawei nicht mehr laufen darf, ist das für Huawei erstmal kontraproduktiv. Gerade, da Huawei innovative Smartphones auf den Markt brachte, die Apple, Samsung und Co nicht brachten. Und die Google Pixels..die sind ja nicht gerade sehr innovativ. Wenn Android aber nur noch auf Google eigener Hardware laufen darf, wäre das extrem schlecht. Denn Alternativen kämen dann auf. Vielleicht merke manche dann auch, dass Software auch erst mit der Hardware sinnvoll funktioniert. Wer braucht das neuste Android Q auf einem veralteten Smartphone? Das wäre wie Windows 10 auf einem Rechner aus dem Jahre 2000. – Nonsense.

    Ich vermute mal, dass Huawei einen anderen Weg gehen wird und sollte sich das mit Hongmeng OS bewahrheiten, dann müssen andere Unternehmen schnell nachziehen. Denn ein Betriebssystem für sämtliche Devices hat bisher noch niemand. Auf der anderen Seite, wer will das schon, außer manche Apple-Gläubigen?

    Ich liebe Diversität, auch bei Technik und Software.

  • Da ja Google im Auftrag der US Regierung Android nicht mehr für Huawei freigibt, sollte sich Huawei nicht weiter erpressen lassen! Ein eigenes Betriebssystem tut den Markt gut. Es sollte eben auch Samsung gleich mitziehen und auch sein eigenes Betriebssystem bringen. Das ist mehr Wettbewerb auf dem Markt. Natürlich sehr schmerzhaft für die USA, aber richtig. Es ist auch von Vorteil, wenn Hardware Komponenten außerhalb der USA von anderen Herstellern kommen um nicht abhängig und erpressbar zusein.

    • letzte Chance und Anlauf für ein WindowsPhone oder EuroSoftPhone für Europäer für Europäer?

    • Lasst Mikrosoft in Ruhe. Nach Einsatz aller Ihrer Ressourcen haben sie Ihr Ziel endlich erreicht, in die Fusstapfen von IBM’s DOS zu treten, und sich vom Markt zu verabschieden.

      Die Putzfrauen-Crew ist nun vollends beschäftigt mit 3D wisch Gesten und sonstigen unverzichtbaren futuristischen (Unsinn) Features das gleiche Ziel für Windoof 10 zu erreichen, dass Sie sich auf dem besten und erfolgversprechendstem Weg befinden zeigen alle paar Monate die Up-Dates.

      Europa ? Die Verfügen im besten Fall über die Intelligenz aber im Komma liegend hat noch nie jemand etwas auf den Weg gebracht. (EuroSoftPhone na ja in seltenen fällen wachen auch mal im Komma liegende Patienten auf ….. nur Europa scheint den anderen Weg zu gehen.)

      USA, Asien, Europa …. Jeder hat da so seine Ansprüche und ethnische Vorstellungen. Nach Jahrtausenden haben wir Menschenrechte definiert und möchten als Nutzer egal von wo wir her sind diese und die Persönlichkeits-Rechte gewahrt wissen.

      Aber wie Einstein schon sagte, ob das Universum unendlich ist oder nicht, können wir nicht mit Bestimmtheit sagen. Das einzige was ganz sicher unendlich ist, ist die Dummheit und Machtgier der Menschheit.

      Software und Daten Sammeln ist für manche Staaten einfacher und billiger als Intelligenz nach einem Krieg als Beute nach Hause zu nehmen. (von Braun und andere lassen grüssen)

      Don Quijote ist gestorben bevor er etwas andern konnte, Sisyphus ist noch am arbeiten und wir Nutzer müssten etwas aus der Geschichte lernen und dem französischen Vorbild folgen.

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