Googles große Hardware-Übernahmen: Unglückliches Händchen bei Nest, Fitbit, HTC & Motorola – oder nicht?

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Google hat im Laufe der Zeit eine Reihe von größeren Übernahmen getätigt, die mal mehr und mal weniger bedeutsam gewesen sind – sowohl für den Markt als auch für das Unternehmen selbst. Zumindest im Hardware-Bereich scheint man dabei aber kein glückliches Händchen zu haben, denn bisher haben sich ausnahmslos alle Hardware-Übernahmen als Flop oder unnötig herausgestellt. Zwar sind einige Marken heute erfolgreich, aber das hätte Google auch günstiger haben können.


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Google hat im Laufe der 24-jährigen Firmengeschichte schon sehr viele Unternehmen übernommen und das eine oder andere Mal bildeten die Übernahmen den Grundstein für später sehr erfolgreiche Produkte. So kamen etwa Google Maps (Ableger von Keyholes Earth), die Videoplattform YouTube und auch das Betriebssystem Android durch Übernahmen in das Unternehmen. Allerdings kann nach so langer Zeit natürlich nicht mehr bewertet werden, ob die einzelnen Produkte oder Unternehmen auch ohne Google nachhaltig erfolgreich gewesen wären. Im Hardware-Bereich sieht es weniger rosig aus.

Die letzte große Übernahme im Hardware-Bereich hat man im Oktober 2019 verkündet, als man die Pläne veröffentlichte, Fitbit übernehmen zu wollen. Diese Übernahme zog sich über einen langen Zeitraum, ist aber seit Ende 2020 abgeschlossen. In den Jahren zuvor hat man außerdem Nest, Motorola Mobility, große Teile von HTC oder auch North übernommen. Natürlich gab es auch zahlreiche weitere Übernahmen, diese hatten aber kleinere Dimensionen, sind zum Teil gar nicht bekannt geworden oder haben für Endnutzer Marken-technisch keine Bedeutung.

In diesem Beitrag soll es nur um die Übernahmen gehen, die nach Außen hin für Endnutzer eine größere Rolle spielen und deren Unternehmen mit bekannten Marken auf dem Markt vertreten sind. Bisher hat sich dabei praktisch ausnahmslos gezeigt, dass Google nur ein Fundament übernahm und das Haus selbst draufbauen musste. Kann man machen, aber muss man dann mehrere Milliarden pro Übernahme ausgeben? Schauen wir uns einmal die wichtigsten Beispiele an.




Motorola
Google erste große Übernahme im Hardware-Bereich war zugleich wohl einer der größten finanziellen Flops des Unternehmens. Die Übernahme von Motorola für 12,1 Milliarden Dollar (!) kam nicht aus heiterem Himmel, aber dennoch sehr überraschend. Eigentlich wusste damals wie heute niemand so genau, was Google eigentlich mit dem Smartphone-Hersteller vor hat. Google hatte die Nexus-Smartphones und alle andern großen Hersteller sahen Googles großen Einstieg in den Smartphone-Markt aufgrund der damals schon sehr hohen Android-Dominanz sehr kritisch – verständlich.

Bis auf den Firmenname „Motorola by Google“ haben beide Unternehmen niemals zusammengepasst und schon nach einem Jahr war die Rede davon, dass zwischen den beiden Unternehmen, die eigentlich ein starkes Team bilden sollten, eine regelrechte Eiszeit herrschte. Gut möglich, dass Google schon damals das Pixel-Konzept in der Schublade hatte und dieses mit Motorola auf Schiene bringen wollte – es hat aber nicht funktioniert.

Nicht einmal zwei Jahre später hat Google das Unternehmen an Lenovo verkauft – für nur noch knapp drei Milliarden Dollar. Zwar hat Google zuvor schon einige Teile von Motorola versilbert und alle relevanten Patente behalten (um die es damals wohl hauptsächlich ging), aber dennoch steht unter dem Strich ein dickes Minus.

Nest
Anfang 2014 hat Google Nest für 3,2 Milliarden Dollar übernommen und wollte damit groß in den Smart Home-Markt einsteigen. Allerdings hatte das Unternehmen damals gerade einmal zwei Produkte im Angebot, den Rauchmelder und das Thermostat. Hinter den Kulissen sah es wohl nicht gut aus, denn das Unternehmen sah einer ungewissen Zukunft entgegen und drohte zu implodieren. Die Belegschaft rebellierte und Google-Gründer Larry Page drohte sogar mit Abwicklung des Unternehmens, wenn nicht endlich erfolgreiche Produkte auf den Markt kommen. Tatsächlich kam bei Nest sehr lange gar nichts. Die Überwachungskamera, die heute sehr populär sind, wurden von Dropcam zugekauft.

Heute ist Nest eine etablierte Marke im Smart Home, Google hat die eigenen Produkte in diesem Bereich unter das Dach von Nest gebracht und somit selbst eine sehr wichtige Anschubhilfe gegeben. Halten wir also fest: Die erfolgreichen Smart Speaker und Smart Displays stammen eigentlich aus dem Google-Portfolio. Die Kameras hat man erst später zugekauft. Rauchmelder und Thermostat sind noch immer vorhanden, haben sich aber nicht nennenswert weiterentwickelt.

Man muss sich fragen, wofür Google damals drei Milliarden Dollar ausgegeben hat – für einen Rauchmelder und ein Thermostat? Obwohl Nest heute mehr oder weniger erfolgreich und eine etablierte Marke ist, kann man die Übernahme eigentlich nur als Flop einordnen. Denn erst Google hat Nest nach mehreren Jahren zum Erfolg geführt. Das hätte man auch ohne Übernahme geschafft.




HTC
Anfang 2018 hat Google die Übernahme von HTC abgeschlossen und das Team des Smartphone-Herstellers für 1,1 Milliarden Dollar vollständig in den eigenen Hardware-Bereich verfrachtet. Allerdings hat Google nicht das gesamte Unternehmen HTC übernommen, sondern nur alle Abteilungen, Mitarbeiter, Technologien und Werte die zuvor bei der Produktion der Pixel-Smartphones zum Einsatz gekommen sind. Man kann also sagen, dass sich Google praktisch die Pixel-Abteilung von HTC einverleibt hat.

Die Hintergründe sind zwar nicht bekannt, aber die Übernahme wurde damals offenbar aus der Not heraus geboren. HTC strauchelte heftig, ist längst nicht mehr relevant und brauchte dringend frisches Kapital. Einen solchen Partner, der jeden Moment in die Pleite schlittern könnte, konnte Google bei den neuen Pixel-Smartphones natürlich nicht gebrauchen und hat somit sowohl HTC als auch die eigenen Pixel-Smartphones gerettet. Ob das zuvor schon geplant war, denn immerhin versprach sich Googles Hardware-Chef davon viele Innovationen und neue Technologien, lässt sich heute schwer sagen.

Die ersten Smartphones, die von der Planung bis zur Produktion vom „neuen HTC“ unter Googles Leitung produziert wurden, waren die Pixel 4-Smartphones, die zumindest in puncto Innovation bekanntlich nicht enttäuscht haben. Allerdings stammten diese Innovationen (Gesichtserkennung, Gestensteuerung und mehr) rein aus Google-Projekten. Welchen Anteil das HTC-Team daran hat, immerhin sind die neuen Technologien bei Google entstanden, lässt sich nicht sagen.

Google will bei den Pixel-Smartphones zunehmend mehr Kontroller übernehmen, hat mittlerweile Tensor nahezu in eigener Hand, arbeitet an Display- und Kameratechnologien und ist durch HTC unabhängiger bei den Pixel-Smartphones. Auch wenn es eher eine Rettungs-Übernahme war, war das wohl die bisher erfolgreichste Übernahme.

Fitbit
Die Übernahme von Fitbit hat sich Google nicht weniger als 3,2 Milliarden Dollar kosten lassen und wurde unter der Auflage durchgeführt, dass die Daten der Fitbit-Nutzer nicht zur Profilbildung verwendet werden dürfen. Heute wissen wir, dass Fitbit und Google zwar zusammenarbeiten, aber gar nicht zusammengeführt werden sollen. Fitbit wird nicht zu Wear OS wechseln, Fitbit OS wird weiterentwickelt, man betreibt weiterhin zwei Bezahlplattformen und zwischen den Fitbit-Geräten und der Pixel Watch gibt es überhaupt keine Überschneidungen.

Google hat Fitbit sicherlich nicht für die Entwicklung der Pixel Watch benötigt. Für die häufig kritisierten Fitness-Funktionen der Pixel Watch ebenfalls nicht, denn dafür hat man das eigene Google Fit. Weil das Thema sehr umfangreich ist, könnt ihr mehr Details in einem eigenen Artikel lesen: Wofür hat Google Fitbit eigentlich übernommen? Bisher sieht auch das nach einem Flop aus, denn Fitbit leidet seit der Übernahme an stark sinkenden Marktanteilen.




North
Im Juni 2020 hat man die Übernahme von North angekündigt, die mit geschätzten 180 Millionen Dollar zwar vergleichsweise günstig ausgefallen ist, aber bisher auch noch nicht viel vorzuweisen hatte. Das Unternehmen arbeitet an einer smarten Brille und hat von der ersten Version nicht mehr viel mehr als 1.000 Stück verkauft, die parallel zur Übernahme von Google vom Markt genommen wurden. Das North-Team soll nun unter dem Dach von Google an smarten Brillen schrauben.

Bisher ist es zu früh zu bewerten, aber dennoch kann man schon jetzt fragen, was das Startup North beitragen soll, das Google in 10 Jahren Google Glass nicht selbst entwickelt oder erfahren hat. Google Glass könnte im nächsten Jahr als Pixel Glass zurückkehren und damit auch den AR-Bereich wiederbeleben. Alle bisher bekannten Informationen dazu findet ihr in diesem Artikel.


Mir ist schon klar, dass Hardware-Entwicklung seine Zeit braucht und niemand einen Einblick hinter die Kulissen hat. Rein Produkt-technisch war bisher dennoch keine Übernahme für Google lohnend. Auch technologisch sollte man selbst stark aufgestellt sein, um die Milliarden-Übernahmen nicht zu benötigen. Oftmals ist auch von „Acqui-Hire“ die Rede, also dass man nicht das Unternehmen, die Marke oder Produkte, sondern viel mehr das Personal und die Expertise übernimmt. In einigen Fällen kann sich das lohnen, aber in Googles Dimensionen sehe ich auch darin keinen Grund.

Letzte Aktualisierung am 6.04.2024 / Bilder von der Amazon Product Advertising API / Affiliate Links, vielen Dank für eure Unterstützung!




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comment 1 Kommentare zum Thema "Googles große Hardware-Übernahmen: Unglückliches Händchen bei Nest, Fitbit, HTC & Motorola – oder nicht?"

  • Google geht es scheinbar nur darum, solche Marken kaputt zu machen ,Motorola ist das beste Beispiel dafür, aber auch aktuell Fitbit .

    Pfuiii Google,gierige Datendreckschleuder !!!

    Selbst bekommen sie nicht auf die Reihe,siehe diese manipulierten Zertifikate die als Sicherheitslücke,aktiv ausgenutzt werden kann 😡😡🤚

Kommentare sind geschlossen.