Vor Android & YouTube: Google wollte Digitalkameras verkaufen; Interessanter Einblick in die Video-Geschichte

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Google hat in den letzten zwei Jahrzehnten zahlreiche Unternehmen übernommen, die heute zum Teil eine sehr große Bedeutung für das Unternehmen haben – darunter beispielsweise YouTube. Durch die US-Anhörungen wurden nun E-Mails veröffentlicht, die einen sehr interessanten Einblick in die damalige Video-Situation geben und zeigen, dass man statt des Vollzugs der YouTube-Übernahme fast mit Google Video in das Kamera-Business eingestiegen wäre.


Im ersten Jahrzehnt dieses Jahrtausends hat Google zahlreiche Übernahmen getätigt, ohne die das heutige Portfolio ganz anders aussehen würde: Aus den Übernahmen gingen Produkte wie Android, YouTube und sogar Google Maps hervor, die zu enorm wichtigen Grundpfeilern des Google-Geschäfts geworden sind. Zumindest im Fall von YouTube hätte es aber auch ganz anders kommen können, denn Google hatte bekanntlich schon eine Videoplattform.

google pure digital flip video camera

Im Rahmen der US-Anhörungen vor zwei Wochen kamen interessante E-Mails aus dem Jahr 2006 ans Tageslicht, die die damalige Situation auf dem Videomarkt beschreiben und sowohl eine Kooperation als auch eine große Übernahme behandeln. Google war damals mit der Videoplattform Google Video vertreten, auf der sich mehrere Hunderttausend Videos fanden, die mehr oder wenige „sehenswerte“ Inhalte boten – wobei das natürlich ein sehr subjektiver Eindruck ist. YouTube hingegen war die Plattform, auf der plötzlich jeder Nutzer kostenlos seine Homevideos hochladen und mit wachsenden Community teilen konnte.

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Ein Großteil dieser Videos wurde damals mit Geräten von PureView aufgenommen, die kurz davor standen, die neue Kamera Flip Video auf den Markt zu bringen und einen strategischen Partner für die Videoaufnahmen gesucht haben. Der Plan sah es vor, dass die Kamera mit einer Google Video-Anbindung auf den Markt kommen solle, sodass alle Videos sehr leicht auf Googles Videoplattform hochgeladen werden können.




Die Zahlen waren für damalige Verhältnisse gigantisch: Man erwartete 10 bis 20 Millionen Videos pro Jahr. Zum Vergleich: Zu diesem Zeitpunkt hatte Google Video gerade einmal 350.000 Videos in der Datenbank. Würde man eine Kamera mit Google-Branding auf den Markt bringen, könnten sich diese Zahlen aufgrund von Googles damals extrem populären Namen um das doppelt bis vierfache erhöhen. Damals war eine Zeit, in der alles mit Google-Logo ein Erfolg werden musste – manche mögen sich noch erinnern.

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Tatsächlich hatte man Sorge, dass der Deal nicht zustande kommen könnte und stattdessen Yahoo! (ja, wirklich) oder die kleine Videoplattform YouTube den Deal machen und Google in arge Bedrängnis bringen könnte. Das Problem war, dass Google Video überhaupt nicht für solche Videos geeignet war, eine völlig andere Zielgruppe bediente und noch dazu keinerlei echte Community-Features bot. Man war fast schon selbst der Meinung, dass die Videos bei YouTube besser aufgehoben wären. Also brachte man einen tollkühnen Plan.

Die Videos sollten entweder 30 Tage lang privat bei Google Video gehalten und anschließend gelöscht oder veröffentlicht werden. Kann man sich in der Form heute kaum vorstellen, dass eigentlich private Inhalte nach Ablauf einer Frist plötzlich öffentlich werden. Davon hatte man dann aber sehr schnell wieder Abstand genommen und musste wohl eine Entscheidung treffen. Unklar ist allerdings, in wie weit die unbekannten Mail-Schreiber überhaupt strategischen Einfluss auf Google hatten. Pikantes Detail: Sollte YouTube den Deal machen, könnte Google die Inhalte ja jederzeit per RSS doch noch anzapfen. Eine Formulierung, die heute schon für große Verfahren ausreichen würde.




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Man beschloss, einfach YouTube zu kaufen. Und genauso kam es dann auch, denn nur wenige Monate nach diesen E-Mails kündigte Google den Kauf von YouTube für die damals wahnsinnige Summe von 1,31 Milliarden Euro an. Was in den ersten Jahren nach einer großen Fehlinvestition aussah, denn Google wurden von Klagewellen rund um Urheberrechtsverletzungen nur so überrollt, sollte sich später als echter Goldesel herausstellen. Aber noch einmal zurück zur Kamera-Geschichte.

Tatsächlich wurde ein Deal zwischen Pure Digital und YouTube geschlossen, sodass die Videos mit nur wenigen Schritten den Weg zu YouTube fanden – und somit wiederum auch in das Google-Netzwerk. Happy End für Google und YouTube, aber nicht für Pure Digital. Der Siegeszug des Smartphones begann, an dem wiederum Google mit Android bekanntlich nicht ganz unbeteiligt war und die Kameras von Pure Digital wurden plötzlich nicht mehr gebraucht. Das Unternehmen wurde wenig später von Cisco gekauft und später geschlossen.

Und um den Kreis noch etwas runder zu machen: Android war von Andy Rubin ursprünglich als Betriebssystem für Digitalkameras konzipiert. Weitere Fun Fact: Hätte es das Google-Branding gegeben, wäre es die erste Google-Hardware für den Consumer Markt gewesen.

[The Verge]




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