Stadia: Googles Spieleplattform auf der Kippe – der Neustart mit ‚Google Stream‘ dürfte holprig werden

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Googles Spieleplattform Stadia steht gefühlt seit dem Start mit einem Bein im Grab, sodass jeglichen Gerüchten zu einer Schliessung sofort Glauben geschenkt würde. Jetzt ist es mal wieder soweit, doch diesmal ist es sehr viel konkreter und kaum noch zu bezweifeln. Zwar wird das Produkt für Endnutzer sicherlich nicht so schnell eingestellt, doch Googles Strategie ist mittlerweile offensichtlich. Allerdings scheint sie nicht vielversprechend.


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Stadia hatte von Anfang an mit Problemen zu kämpfen, allerdings nicht technischer Natur. Technische Probleme hätte man dem Unternehmen aufgrund der recht neuen Technologie wohl verziehen und auch Performance-Probleme hätte man in den ersten Wochen schulterzuckend zur Kenntnis genommen. Aber die gab es nicht, denn die Probleme lagen eine Ebene höher: Schon vor dem Start musste sich Google immer wieder gegen Unkenrufe verteidigen, dass Stadia schnell wieder eingestellt wird. Das ging soweit, dass sogar CEO Sundar Pichai eingreifen und die langfristigen Pläne bestätigen musste.

Mit einem solchen Ruf ist es natürlich schwer, die Nutzer von einer neuen Plattform zu überzeugen, in die sie viel Geld investieren müssen und vielleicht sogar von ihrer bequemen Heimat der Xbox, PlayStation oder dem lokalen Gaming PC weggelockt werden sollen. Diesen Ruf hat sich Google über die Jahre hart erarbeitet und dürfte noch vielen vielversprechenden Produkten den Start erschweren – aber das lässt sich kurzfristig nicht mehr ändern. Und die jüngsten Taten unterstreichen den Ruf mal wieder, aber das ist eine andere Geschichte.

Spätestens Anfang 2021 begann die Stimmung zu kippen, denn Google hatte die Schliessung der Games Studios nach nur wenigen Monaten verkündet und ist selbst aus der Spieleentwicklung ausgestiegen. Massen an Mitarbeitern, die vor allem mit der Spieleentwicklung beschäftigt waren, verließen das Unternehmen und ließen kein gutes Haar an ihrem ehemaligen Arbeitgeber. Dennoch ging es weiter und im Laufe des Jahres konnte Google das Ganze ein wenig vergessen machen. Bis jetzt.




Ein Bericht hat vor einigen Tagen für großen Wirbel gesorgt, denn in diesem ist nicht nur vom neuen Cloudangebot „Google Stream“ die Rede, das für Endnutzer derzeit noch vollkommen uninteressant ist, sondern vor allem vom Herunterfahren der Stadia-Plattform. Stream ist gewissermaßen die Infrastruktur hinter Stadia, auf die sich seit langer Zeit die gesamte Weiterentwicklung konzentriert. Gerade einmal grobe 20 Prozent der Zeit sollen noch in Stadia investiert worden sein. Wie diese Zahl zustande kommt, lässt sich schwer bewerten. Aber sie scheint glaubwürdig.

Strategiewechsel rund um Stadia
Stadia hat schon mindestens zwei kleinere Strategiewechsel hinter sich – und das in nicht einmal zweieinhalb Jahren. Erst hieß es, dass man nur die Plattform betreiben und sich weniger mit der Spieleentwicklung beschäftigen will. Schon wenige Monate später wurden die Stadia Games Studios gegründet, die mehrere Entwicklerstudios unter einem Dach vereinen sollten. Es dauert nur gut 13 Monate, bis diese ohne einen einzigen Titel auf dem Markt wieder geschlossen wurden. Sie konnten sich niemals beweisen und mussten dennoch schließen. Deutlicher kann man die Schlinger-Strategie kaum machen.

Seit längerer Zeit arbeitet man am nächsten Strategiewechsel, der in der Form sicherlich schon von Anfang an in der Schublade war und nun beschleunigt wurde: Mit Google Stream soll die teuer aufgebaute Infrastruktur als Cloud-Angebot für Spieleentwickler angeboten werden. Diese sollen praktisch ein eigenes Stadia mit ihren eigenen Titeln anbieten können, ohne dass Google dabei in Erscheinung tritt. Es geht einfach darum, das Cloud-Gaming allen Entwicklern zu ermöglichen, die nicht die dafür notwendigen Ressourcen haben. Eine gute Sache, die ohne Frage sowieso eines Tages gekommen wäre.

Google dürfte den Betrieb von Stadia gewissermaßen intern auslagern. Das Stadia-Team wird zum Kunden des Cloud-Teams und nimmt dann nur noch die Zwischenrolle als Vermittler ein. Auf diese Art könnte man Stadia soweit wie möglich herunterfahren, dennoch weiter betreiben und gleichzeitig das Cloud-Angebot stärken. Ich denke, dass das die zukünftige Strategie ist, mit der schlussendlich alle gut leben können – auch die zahlenden Spieler.

Die Frage ist nur, ob dieses Konzept langfristig aufgehen kann und für Google wirklich erfolgsversprechend und eines Tages auch gewinnbringend ist. Denn der Markt ändert sich und Google scheint plötzlich nicht mehr ganz so gut aufgestellt.




Die großen haben ihre eigene Plattform
Der spektakuläre geplante Zukauf von Activision Blizzard durch Microsoft und die Bungie-Übernahme von Sony zeigen, dass auch im großen Stil eine Konsolidierung beginnt. Microsoft ist eine Macht im Spielemarkt, war es schon vorher, und wird Googles Dienste nicht benötigen. Sony ebenso wenig. Stattdessen bieten sie eigene Plattformen an und könnten Google aufgrund ihrer Reichweite (Xbox & PC sowie PlayStation) das Wasser reichen und die wichtigen Ttel an sich binden. Für Google bliebe dann eher der Markt mit kleinen unabhängigen Studios, den man jetzt schon bei Stadia hat. Doch mit diesen wird man vermutlich nicht so viel verdienen können, um die Infrastruktur profitabel zu betreiben. Google Cloud hat übrigens das gleiche Problem und schreibt seit Jahren Milliardenverluste.

Wie könnte also Googles künftige Strategie aussehen? Ich sehe eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder man kniet sich voll herein, investiert sehr viel Geld und übernimmt ebenfalls große Studios oder man lässt es bleiben. Erstes würde meiner Meinung nach nicht zu Google passen. Vor einigen Wochen habe ich eine Liste mit Übernahme-Kandidaten für Googles Stadia-Team zusammengestellt, doch durch die jüngste Entwicklung ist das schon wieder hinfällig.

Die nächsten zwei Jahren werden sicherlich sehr interessant. Google Stream dürfte spätestens im Mai zur Google I/O angekündigt werden, genauso wie die Zukunftspläne von Stadia. 2023 muss es sich dann beweisen und dann sehen wir weiter. Problematisch wird es, wenn Stadia auf Stream basieren wird und Stream sich nicht zu dem Erfolg entwickelt, den sich Google erhofft. Aber malen wir den Teufel mal nicht an die Wand.

Stadia und das kommende Google Stream werden sicherlich noch viele Jahre bestehen, aber aus heutiger Sicht scheint Google eher auf verlorenem Posten zu sein. Immerhin hat man mit Google Play Games einen Plan B in der Tasche, der zwar völlig anders aussieht, aber einen wichtigen Zugang zum großen Spielemarkt sichert.

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comment 1 Kommentare zum Thema "Stadia: Googles Spieleplattform auf der Kippe – der Neustart mit ‚Google Stream‘ dürfte holprig werden"

  • Enorm viel Potential. Hatte echt hohe Erwartungen an Stadia (Nicht nur im Bereich High-End-Games), aber natürlich hätte man es besser wissen müssen. Ein dedizierter Store, keine versprochene PC Graphic und ein Controller, der mit Bluetooth nur über diesen Dienst funktioniert. Google schießt sich einfach gerne selbst in den Fuß.

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