Google Chrome: Der Browser wird vollständige URLs ausblenden – so funktioniert es & so könnt ihr es testen

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Im Sinne des Fortschritts führt Google immer wieder neue Technologien in populäre Produkte ein oder verabschiedet sich von etablierten Konzepten – das gilt auch für den Chrome-Browser. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass Google Chrome keine vollständigen URLs mehr anzeigen soll und somit den fast finalen Schritt in Googles langem Kampf gegen die Internetadresse umsetzt. Die Begründung scheint aber nicht vollständig schlüssig.


Die URL ist ein fester Bestandteil aller Browser und des Internets, denn sie gibt die Ressource an, die der Browser laden soll bzw. zeigt, welche Adresse aktuell geladen ist. Sich davon zu verabschieden scheint so undenkbar wie das Ende der Hyperlinks, aber dennoch bereitet Google genau dies vor – zumindest gegenüber den Endnutzern. Im Hintergrund muss es URLs natürlich weiterhin geben, aber bekanntlich passiert im Web bei jedem Klick sehr viel im Hintergrund, das der Nutzer gar nicht mitbekommt.

google chrome dark mode logo

Google führt schon seit vielen Jahren einen „Kampf gegen die URL“, der sich immer wieder in Experimenten innerhalb des Chrome-Browsers gezeigt hat bzw. in kleinen Schritten längst umgesetzt wurde. Schon vor einigen Jahren gab es erstmals Tests, die vollständige Adresse durch einen kurzen Bestandteil zu ersetzen – zum Teil sogar nur durch den Namen der Webseite oder einer erkannten Menü-Struktur. Weil das aber nur für wenige Webseiten funktionieren kann, ist es stets bei den Tests geblieben.

Seit dem vergangenen Jahr wird der historisch bedingte Bestandteil „https://www.“, der in nahezu allen URLs enthalten ist, standardmäßig ausgeblendet. Wer auch nur einen Hauch Einblick in die Web-Technologien hat, der weiß, dass sowohl „https://“ als auch „www.“ sehr wohl eine Bedeutung haben und nicht zu vernachlässigen sind. Aus Sicht des Endnutzers, der einfach nur surfen möchte, ist die Angabe aber nicht notwendig und ohnehin in 99 Prozent aller Adressen vorhanden.

Nun wird Google aber schon sehr bald den nächsten Schritt gehen und die vollständige URL ausblenden. Das hat dann schon erheblich größere Auswirkungen, soll laut Google aber aufgrund von Sicherheitsbedenken umgesetzt werden. Die Gründe sind nachvollziehbar, aber dennoch spielt Google ein solcher Schritt auch anderweitig gehörig in die Karten.

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Aktuell testet Google die URL-Kürzung mit der Chrome-Version 85, die derzeit sowohl als Dev als auch Canary zur Verfügung steht. Zwar gibt es noch keine offizielle Ankündigung, aber laut Aussagen einiger Entwickler soll diese Änderung mit der stabilen Version von Chrome 85 Ende August wirksam werden. Unklar bleibt, ob es ab dann aktiviert werden kann oder bereits standardmäßig aktiviert ist. Das könnte auch davon abhängen, wie die Rückmeldungen in den nächsten Wochen aussehen.

So wird jetzt gekürzt
Die URL-Kürzung umfasst fast alle Bestandteile und wird nur noch die Domain anzeigen. Aus https://www.googlewatchblog.de/2020/06/google-chrome-tiefe-verlinkungen/ wird dann nur noch googlewatchblog.de. Die ersten Bestandteile werden ja standardmäßig schon heute ausgeblendet, der vollständige Pfad aber nach wie vor noch angezeigt. Das betrifft die Struktur, die angeforderte Datei und auch die möglicherweise übergebenen Parameter. Aber auch die nicht an die Server übergebenen Parameter hinter der Raute (#) werden ausgeblendet. Dazu wurden übrigens gerade erst die neuen Deeplinks zur Markierung bestimmter Stellen eingeführt.

Googles Begründung

We think this is an important problem area to explore because phishing and other forms of social engineering are still rampant on the web. And much research shows that browsers‘ current URL display patterns aren’t effective defenses. We’re implementing this simplified domain display experiment so that we can conduct qualitative and quantitative research to understand if it helps users identify malicious websites more accurately.

Google begründet dies damit, dass sich Phishing leichter erkennen lassen soll – insbesondere für weniger versierte Nutzer. Ob das wirklich hilfreich ist, muss sich aber noch zeigen, denn es werden weiterhin Subdomains angezeigt. Wer beispielsweise GMail aufruft, sieht die Domain „mail.google.com“ in der Adressleiste und nicht „google.com“. Das kann problematisch sein und den Nutzern die Erkennung von Phishing erschweren, das sich nach wie vor verstecken kann.

Nutzer werden seit Jahren darauf trainiert bei Logins oder im Onlinebanking darauf zu achten, dass in der Adressleiste sinngemäß „meinebank.de“ steht. Befindet sich der Nutzer nun auf einer Phishingseite, steht in der Adressleiste mit der neuen Kürzung weiterhin „meinebank.de.ichwilldeinpasswortklauen.com“. Natürlich nicht in der Form, aber sinngemäß. Natürlich kann da auch stehen „meinebank.de.mainebank.de“, was es dann schon schwerer macht.

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So könnt ihr die URL-Kürzung schon jetzt testen
Wer die Auswirkungen dieser Änderung schon jetzt testen möchte, kann das ab sofort in der Chrome Dev oder Canary tun, in dem einige Flags zur Verfügung stehen, die dieses Feature beeinflussen. Ihr findet diese Flags unter der URL chrome://flags und könnt sie dort beliebig aktivieren oder deaktivieren und anschließend den Browser neu starten. Im Folgenden eine schnelle Übersicht über die drei Flags und was sie bewirken:

  • #omnibox-ui-hide-steady-state-url-path-query-and-ref: Aktiviert die Verkürzung der URL und ist zugleich Voraussetzung für die nächsten beiden Punkte.
  • #omnibox-ui-reveal-steady-state-url-path-query-and-ref-on-hover: Aktiviert, das die volle URL beim überfahren der Adressleiste mit dem Cursor dargestellt wird.
  • #omnibox-ui-hide-steady-state-url-path-query-and-ref-on-interaction: Aktiviert, das die volle URL bei einer beliebigen Interaktion mit der Adressleiste dargestellt wird

Standardmäßig wird es im Kontextmenü der Adressleiste einen Eintrag geben, mit dem sich die volle Adresse darstellen und die Kürzung auch zukünftig abschalten lässt. Googles Entwickler versprechen, dass es diesen Eintrag und auch die Möglichkeit zur Darstellung der vollen Adresse „immer“ geben soll und auch in fernerer Zukunft keine voll URL-Zensur geplant ist.

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