Google+: Das ganz besondere Social Network mit dem riesigen Potenzial wird eingestellt – ein Blick zurück

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Es ist soweit. Das seit vielen Jahren von Spöttern herbeigeschriebene Ende von Google+ wird nun tatsächlich eingeleitet und das Netzwerk am 2. April endgültig abgeschaltet. Damit geht eine siebenjährige Geschichte zu Ende, die so schön begonnen hat und vom Unternehmen mit etwas mehr Engagement sicher auch zum Erfolg hätte geführt werden können. Leider hat man sich schon vor langer Zeit dagegen entschieden und die vielen Nutzer auf der Plattform allein gelassen.


Warum dieser Artikel schon heute erscheint? Am morgigen 1. April wäre er vielleicht nicht ganz so günstig platziert und am 2. April wird das Netzwerk im Laufe des Tages wohl schon heruntergefahren. Ein exakter Zeitpunkt ist nicht bekannt. Und so haben vielleicht noch einige Nutzer die Möglichkeit, doch noch den einen oder anderen Beitrag zu retten, bevor die Daten endgültig im ewigen Google-Nirvana verschwinden.

rip google plus

Die Einstellung von Google+ war schon seit sehr langer Zeit abzusehen und wurde aus diesem Grund auch immer wieder herbeigeschrieben – als es dann aber tatsächlich zu der Ankündigung der Schließung kam, fühlte man sich als Nutzer dennoch vor den Kopf gestoßen und sehr überrascht über das Ende. Das ist nun schon wieder 5 Monate her und die allerletzten Tage des Netzwerks sind angebrochen, das in passiver Form tatsächlich noch von sehr vielen Menschen genutzt wird, was wohl auch in den folgenden zwei Tagen noch der Fall sein wird.

Die Diskussion über die Einstellung war damals für ein „langweiliges Google-Produkt“ recht emotional und es gab mehrere Petitionen, die den Konzern zu einem Umdenken bringen sollten – doch wenn man sich ehrlich ist, ist das hoffnungslos. Wenn ein Unternehmen ein Produkt erstmal abgeschrieben hat, dann werden auch viele Millionen Unterschriften nichts daran ändern. Vielleicht wäre das Netzwerk bei extremen Zulauf weiter Online geblieben, aber dann wäre die Einstellung eben um einige Monate verschoben worden. Schlussendlich hätte das auch nichts genützt.

Rückblickend und nüchtern betrachtet muss man sagen, dass Google recht fair mit der Einstellung umgegangen ist. Die Zeitspanne von der Ankündigung bis zum Vollzug war (trotz Verkürzung) ausreichend lang, um sich als Nutzer und Community eine neue Heimat zu suchen. Natürlich hätte man die konkreten Details zur Einstellung früher herausrücken können, aber auch hier kann man hinterher sagen, dass es Okay war.



Google+ – das Netzwerk mit dem riesigen Potenzial

Google+ ist in einer Zeit gestartet, in der beim Unternehmen gerade ein großer Umbruch stattfand. Gründer Larry Page ist frisch zurück an die Konzernspitze gewechselt und wollte aus dem Unternehmen mit dem recht chaotischen Produkt-Portfolio endlich ein erwachsenes Unternehmen formen – es begann die Zeit der großen Frühjahrsputze und Dutzenden Produkteinstellungen. Gleichzeitig stieg aber in rasender Geschwindigkeit ein neues Unternehmen zu einem Internetgiganten auf, das man in den ersten Jahren vielleicht nicht auf dem Zettel hatte: Facebook.

Unter diesen Voraussetzungen wurde Google+ mit einer sehr extremen Priorität entwickelt und praktisch das gesamte Unternehmen musste sich diesem neuen Produkt unterordnen – was im verlinkten Erfahrungsbericht sehr gut und lebhaft beschrieben ist. Google+ MUSSTE ein Erfolg werden und eigentlich standen die Zeichen auch gut. Google hatte damals weitaus mehr Nutzer als Facebook, die vielleicht nur darauf gewartet haben, dass das Unternehmen endlich nach Orkut und Buzz ein vernünftiges Social Network startet. Und zu Beginn sah das auch sehr gut aus.

Holpriger Start und zu hohe Ansprüche
Direkt zum Start wurden Facebook harte Zeiten prognostiziert, da alles was Google anfasst zu einem Megaerfolg wird und die Nutzermassen aufsaugt – zumindest galt das damals noch. Das Produkt war auch wirklich sehr gut, aber durch den plötzlichen Google+ Zwang bei YouTube, im Play Store und auch bei Google Maps erreichte man genau das Gegenteil. Die Nutzer freuten sich nicht auf das neue Produkt, sondern waren davon genervt. Gerade für ein emotional geladenes Produkt wie ein Social Network keine guten Voraussetzungen. Da Google niemals wirklich Werbung für das Netzwerk geschaltet oder sich um das Image gekümmert hat, war schon von Beginn an klar, dass es schwer wird.

Die eigenen Ansprüche konnte das Netzwerk durch diesen schwierigen Start wohl nie erfüllen. Google hat sich niemals offiziell konkret zu Nutzerzahlen geäußert und sich stattdessen immer wieder von Facebook als Inspiration distanziert. Intern dürfte aber mit Sicherheit das Ziel gestanden haben, Mark Zuckerbergs Netzwerk echte Konkurrenz zu machen und vielleicht sogar eines Tages zu überflügeln. Dieser Anspruch war aber zu hoch und kaum zu erreichen – weswegen dann schon nach gut drei Jahren die Luft raus war und das Netzwerk nur noch verwaltet und geringfügig weiterentwickelt wurde.

Die Google+ Ableger werden überleben
Doch fernab von diesem nicht wirklich glücklichen Start hat Google+ eine Reihe neuer Produkte eingeführt, die auch heute noch populär sind. Google Photos ging aus Google+ Photos hervor und ist ein sehr zentrales Produkt geworden. Hangouts als Messenger ist ebenfalls innerhalb von Google+ gestartet und bekommt nun bald schon wieder zwei neue Ableger unter der gleichen Marke. Selbst die Videokonferenzen mit Google Duo und die Livestreams bei YouTube sind vom damaligen Hangouts inspiriert.

Google+ hat vielen Produkten eine soziale Ader eingehaucht – und das ist dann wohl auch das Vermächtnis des Netzwerks. Zuvor waren die Nutzer und ihre Kontakte nur anonyme E-Mail-Adressen, die in der Folgezeit zu echten Profilen umgebaut wurden – der soziale Einfluss eben. Daran dürfte aber auch Facebook seinen Anteil haben.



Was langfristig von Google+ bleiben wird, muss man abwarten. Das Netzwerk wird als Business-Version weitergeführt, aber auch dort nur aus der Not heraus. Microsoft hat LinkedIn als gewissen Social Layer seines Business-Angebots und auch Facebook for Workplace soll recht populär sein. Google muss also ein solches Produkt im Portfolio haben, wenn auch nur notgedrungen und langfristig sicher mit wenigen Überlebenschancen.

Ich sehe die Chance recht hoch, dass Google im Jahr 2020 einen weiteren Anlauf starten wird und bereits jetzt an Konzepten für ein neues Produkt feilt. In diesem Jahr gehe ich nicht davon aus, da man erst einmal Google+ aus den Köpfen der Nutzer bekommen muss. Social Networks sind wieder mal im Wandel, aber sie werden nicht verschwinden. Für ein Unternehmen mit Googles Größe und Schwerpunkt auf das Werbegeschäft ist es da fast schon als Unding zu bezeichnen, dass man kein solches Produkt im Angebot hat. Der Ausbau von YouTube und Google Maps zu Social Networks kann nicht alles sein und ist vielleicht nur als Testballon für etwas Neues zu betrachten. Doch am Ende steht man wieder vor dem gleichen Problem: Die Nutzer vom neuen Produkt überzeugen – und das ist die schwerste Hürde von allen.

Zum Abschluss bleibt noch zu sagen, dass ich Google+ persönlich sehr vermissen werden, sowohl in meinem Privatgebrauch als auch die große Community auf unserer GoogleWatchBlog-Seite, die über 100.000 Abonnenten hat(te). Es war ein Fest, denn an keiner anderen Stelle im Web wurden so vortreffliche und vor allem sachliche Diskussionen geführt wie bei Google+. Das wird wohl jeder bestätigen können, der die „Geisterstadt“ länger genutzt hat. GoogleWatchBlog findet ihr nun bei MeWe, das sich ähnlich entwickelt (schaut mal rein!) und natürlich auf vielen anderen Plattformen.

» GoogleWatchBlog bei MeWe

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comment 1 Kommentare zum Thema "Google+: Das ganz besondere Social Network mit dem riesigen Potenzial wird eingestellt – ein Blick zurück"

  • Solange MeWe nicht den Abmeldezwang entfernt, wird es nicht populär werden. Das war das Plus an Google+, und das ist der Grund, warum Reddit wächst und wächst. Wie du schreibst, die Nutzer müssen erstmal überzeugt werden. Eine Anmeldemaske überzeugt mich aber nicht.

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