Artikel 13 schafft neue Machtposition: Nur Google hätte Ressourcen für einen zentrale Uploadfilter (Kommentar)

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Schon in diesem Monat will das EU-Parlament über die Urheberrechtsreform abstimmen, die unter anderem die Einführung des Leistungsschutzrechts (Artikel 11), aber auch die großflächige Nutzung von Uploadfiltern (Artikel 13) zur Folge hätte. Gerade Artikel 13 sorgt für riesige Demonstrationen und die (teilweise berechtigte Panik) über das Ende von YouTube. Tatsächlich könnte die Einführung von Uploadfiltern dafür sorgen, dass Google in eine ganz neue und unantastbare Machtposition im Internet kommt.


Es kann alles sehr schnell gehen: Seit ausgerechnet am Valentinstag der Entwurf zur EU-Urheberrechtsreform veröffentlicht wurde, überschlagen sich die Ereignisse und die zahlreichen Google-Bots protestieren auf der Straße gegen die einzelnen Artikel und die gesamte Reform. Insbesondere die Uploadfilter sorgen für mehr als nur ein wütendes Kopfschütteln, denn sie sind in der Realität einfach nicht machbar. Zumindest nicht für alle.

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Die EU-Abgeordneten, allen voran Axel Voss, beteuern immer wieder, dass in den Entwürfen zur Urheberrechtsreform keine Rede von Uploadfiltern ist. Damit haben sie Recht, allerdings sind die einzelnen Paragraphen des Artikel 13 ohne Uploadfilter nicht umsetzbar – weder theoretisch noch praktisch. Sollte die Reform also beschlossen werden, müssen Uploadfilter eingeführt werden – das ist unumgänglich. Es stellt sich aber die Frage, wie das gehen soll.

Leider haben die schlauen Abgeordneten in Brüssel weder eine Ahnung vom Internet noch von der Tatsache, wie viele Menschen auf diesem Planeten leben, die potenzielle Urheber sind – nämlich weit über 7 Milliarden. Das ist tatsächlich wichtig, denn Artikel 13 schreibt allen Ernstes vor, dass Portalbetreiber Verhandlungen mit ALLEN Rechteinhabern führen müssen, bevor Inhalte hochgeladen werden dürfen. Das betrifft alle Medien vom lustigen Selfie über Videos bis hin zu Texten und gesagten Worten. Sprich: Jeder Mensch ist ein Urheber. Ständig und dauerhaft.

Der bekannte Rechtsanwalt Christian Solmecke beschäftigt sich seit Tagen mit diesem Thema und hat viele interessante Videos dazu veröffentlicht. Folgendes Video sollte sich aber jeder einmal ansehen und verbreiten, der die ganze Thematik rund um den Artikel 13 bisher noch nicht überblicken konnte.



Es wird sehr schnell deutlich, dass Uploadfilter weder technisch noch realistisch umgesetzt werden können. Da sie aber nun mal vom Gesetz vorgeschrieben werden könnten, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Wir schalten das Internet ab oder es muss EINEN zentralen Uploadfilter geben, an dem das gesamte EU-Web angeschlossen wird. Ohne eine zentrale Stelle ist es nicht möglich, denn es kann nicht jedes Portal mit jedem Urheber und umgekehrt jeder Urheber mit jedem Portal Verhandlungen führen.

Da die EU selbst einen solchen Filter nicht vorsieht und diesen in der Kürze der Zeit wohl auch kaum entwickeln kann, muss es also die Privatwirtschaft richten – und an dieser Stelle kommt Google ins Spiel. Google wäre wohl als einziges Unternehmen weltweit schon jetzt in der Lage, einen solchen Filter zu betreiben. Das wird vor allem dann deutlich, wenn wir uns einmal die aktuelle Situation ansehen, die ich hier der Einfachheit halber in Stichpunkten aufliste.

  • Google hat eine Kopie des gesamten öffentlich zugänglichen Internets auf seinen Servern gespeichert -> geschützte Texte und Zitate können erkannt werden
  • Google Photos erhält Tag für Tag viele Millionen neue Fotos durch die Auto Backup-Funktion -> Alle dortigen Fotos können eindeutig einem Nutzer zugeordnet werden
  • YouTube betreibt seit Jahren das mächtige Content ID-System, dessen Entwicklung viele Millionen Dollar gekostet hat -> Aktuell DER Uploadfilter für Videoinhalte
  • Durch die vielen Dienste von Android und Chrome bis GMail erreicht Google praktisch jeden im Internet aktiven Nutzer -> Urheberrechtsverletzungen können schnell geklärt werden
  • Google verfügt über die Infrastruktur und die nötigen Ressourcen zur Speicherung ALLER Daten -> Uploadfilter könnten technisch umgesetzt und angeboten werden

Natürlich trifft der eine oder andere Punkt auch auf andere Unternehmen zu, aber in der Gesamtheit sehe ich aktuell nur Google in der Position, einen solchen Filter umzusetzen. Das wäre für das Unternehmen natürlich ein lohnendes Geschäft, denn diesen gesetzlich vorgeschriebenen Dienst würde man sich natürlich teuer bezahlen lassen.



Nehmen wir nun einmal an, dass DER Uploadfilter technisch machbar ist, kommt gleich das nächste Problem, auf das auch der deutsche Datenschutzbeauftragte aufmerksam gemacht hat: Es müssten ALLE hochgeladenen Inhalte im Web über Google-Server laufen und dort gegengecheckt werden – ein Supergau für jeden Datenschutz. Abgesehen davon, dass hier ein gesetzlich gestütztes Monopol entstehen würde, wirft ein solcher Filter unzählige Fragen und Unklarheiten auf.

Die ganze Idee ist natürlich rein spekulativ, aber natürlich könnte Google diese Rolle aufgrund von zu hoher Haftung auch ausschlagen. Und dann? Das Gesetz an das sich niemand halten kann, ist in Stein gemeißelt. So oder so ist es eine Katastrophe für das Internet. Und darum hoffen wir einfach einmal, dass die gesamte Reform gekippt und noch einmal neu erdacht wird. Notwendig ist eine Reform ohne Frage, aber nicht in dieser Form. Und vom ebenfalls Das-Ende-des-Internets-Leistungsschutzrecht war jetzt noch gar nicht die Rede.

UPDATE 04.03.2019:
» EU-Urheberrechtsreform: Ein Schritt voran, zwei zurück – Google äußert Bedenken zu Uploadfiltern & LSR

Mehr zur EU-Urheberrechtsreform
» Leistungsschutzrecht und die Folgen: Irrwitzige Regeln, Traffic-Einbrüche & Google News vor dem Aus

» ‚Das Ende von YouTube?‘ YouTube könnte die EU-Urheberrechtsreform und Uploadfilter nicht umsetzen

» Artikel 13 & Uploadfilter: EU-Abgeordnete halten die Nutzerproteste für Fake-Kampagne von Google ?




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comment 4 Kommentare zum Thema "Artikel 13 schafft neue Machtposition: Nur Google hätte Ressourcen für einen zentrale Uploadfilter (Kommentar)"

  • PRESSEMITTEILUNG

    Urheberrechtsreform – Artikel 13 Befürworter wollen Abstimmung vorverlegen

    Nachdem für den 23. März europaweite Proteste gegen die geplante Urheberrechtsreform angekündigt wurden, hat der Fraktionsvorsitzende der EVP Manfred Weber heute beantragt, die Abstimmung über Artikel 13 und die Urheberrechtsreform auf nächste Woche vorzuverlegen.

    Die Entscheidung darüber wird in der Sitzung der Fraktionsvorsitzenden am Donnerstag getroffen. Dies teilte Julia Reda, Europaabgeordnete der Piratenpartei soeben auf Twitter mit [1].

    Sebastian Alscher, Vorsitzender der Piratenpartei: „Es kann nicht sein, dass Politiker mit formalen Tricksereien uns Bürgern die Möglichkeit zum Protest nehmen wollen! Friedliche Demonstrationen sind ein Mittel unserer Demokratie, um die Meinung zu Gesetzesvorhaben zum Ausdruck zu bringen. Das Taktieren Webers ist gefährlich und zeigt, dass ihm die Meinung der Menschen sowie die Demokratie an sich offensichtlich gleichgültig sind.“

    Jonathan Babelotzky, Bundesthemenbeauftragter für Urheberrecht der Piratenpartei ergänzt: „Webers Vorstoß zeigt, dass die Unionsparteien sich selbst darüber im Klaren sind, wie fragwürdig die von ihnen unterstützten Artikel 11, 12 und 13 der Reform sind. Es ist nun wichtig, auf alle Vorsitzenden der europäischen Fraktionen Druck auszuüben, diesen undemokratischen, böswilligen Manipulationen Einhalt zu gebieten und bei der Abstimmung in der Sitzung der Fraktionsvorsitzenden am 07. März 2019 den Unionsparteien eine Absage zu erteilen.“

    Für morgen, 05. März, ist bereits eine spontane Kundgebung vor der CDU-Zentrale, Konrad-Adenauer-Haus in Berlin um 18:00 Uhr angemeldet.

    Quellen/Fußnoten:
    [1] Julia Reda: twitter.com/Senficon/status/1102560646124720129

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