Leistungsschutzrecht und die Folgen: Irrwitzige Regeln, Traffic-Einbrüche & Google News vor dem Aus

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Die EU-Urheberrechtsreform steht nach der Finalisierung des Entwurfs kurz vor dem Abschluss und wird einen erheblichen Einfluss auf das Internet im EU-Raum haben. Gestern haben wir bereits die möglichen Folgen für YouTube beleuchtet und heute blicken wir auf ein weiteres Google-Produkt, das nach dem Beschluss der Reform ebenfalls heftig am Wanken ist: Google News ist in der aktuellen Form dann nicht mehr tragbar, dürfte sehr schnell verschwinden und den Fortbestand vieler kleinerer Publikationen beeinflussen.


Die EU-Urheberrechtsreform wird nicht nur die Einführung von Uploadfiltern bewirken, die in der Realität aber nicht funktionieren können, sondern auch das viel diskutierte Leistungsschutzrecht wird im Zuge dessen umgesetzt werden. Da das in Deutschland schon so wunderbar funktioniert hat (nicht!), soll es nun für den gesamten EU-Raum umgesetzt werden, allerdings unter verschärften Bedingungen.

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Der Entwurf des EU-Leistungsschutzrechts in der aktuellen Form soll sicherstellen, dass die Verlage und Autoren für ihre Arbeit entlohnt werden und sich nicht andere Seiten an den verfassten Werken bereichern. Das klingt erst einmal sehr gut, doch dabei wird völlig außer Acht gelassen, wie das Internet funktioniert. Es geht nämlich nicht um den Schutz von ganzen Werken bzw. Artikeln oder großen Absätzen, sondern um nahezu jedes einzelne Wort.

Was ist erlaubt und was nicht?
Erlaubt ist, ohne Anwendung des Leistungsschutzrechts, die Verwendung von kurzen Auszügen eines Textes – allerdings kein ganzer Satz. Und das ist ein sehr wichtiger Punkt, aber dazu später mehr. Außerdem ist es den Suchmaschinen und News-Aggregatoren sogar erlaubt, auf die Artikel zu verlinken und somit die URLs zu den Artikeln in ihren Datenbanken zu speichern. Doch dann hört es mit der Großzügigkeit schon wieder auf, denn die Überschrift eines Beitrags bzw. der Titel darf _nicht_ verwendet werden. Dafür muss bezahlt werden.

Fassen wir also schnell zusammen: Wenige Textfragmente und die Verlinkung ist erlaubt, der Titel und wenigstens ein ganzer Satz hingegen ist kostenpflichtig. Dass das nicht funktionieren kann, sagt schon der gesunde Menschenverstand.



websuche lsr 2

Die News-Ergebnisse und das gesamte Google News-Angebot wird dann so aussehen, wie auf obigem Screenshot (mehr Details dazu hier). Der Nutzer hat keine Ahnung, worum es in den verlinkten News-Artikeln geht, da weder Überschrift noch eine kurze Zusammenfassung noch ein Vorschaubild angezeigt werden darf. Würde Google es anzeigen, müsste es dafür jeweils an die Verlage an eine Gebühr zahlen – und das wird Google nicht tun, wie man schon seit Jahren immer wieder betont hat.

Das obige Experiment lief für vier Wochen und hat dazu geführt, dass der Traffic zu den Seiten um 45 Prozent eingebrochen ist – und das nur in der Probephase. Wie sollte man einen Nutzer auch dazu bringen, auf einen solchen Artikel zu klicken? Das ist so, als wenn am Kiosk alle Schlagzeilen und Bilder verdeckt sind und erst nach dem Kauf sichtbar werden. Argumentiert wird das dadurch, dass Google mit diesen fremden Inhalten Geld verdient. Das ist aber nicht der Fall, denn Google News enthält keine Werbung.

Google News und die News-Ergebnisse in der Websuche leiten jeden Monat 6 Milliarden Klicks (!) auf die News-Angebote – eine gewaltige Trafficquelle. Normalerweise müssten die Publikationen für solche Besucherströme viel Geld in Werbeanzeigen investieren, bekommen diese von Google aber vollkommen kostenlos. Wofür sie nun auch noch Geld haben möchten, ist rational nicht zu erklären. Google News interessiert sich nicht für den Titel, die Fotos oder den gesamten Text, sondern verwendet diese lediglich dafür, um die Nutzer auf die Artikel aufmerksam zu machen – kostenlose Werbung.

Dass Google News in obiger Form keinen Sinn mehr ergibt, dürfte jedem einleuchten. Aus diesem Grund hatte man auch immer wieder betont, dass Google News eingestellt wird, wenn ein solches Leistungsschutzrecht verabschiedet wird und zwangsweise umgesetzt werden muss. Diese Drohung wurde gerade in den letzten Wochen und Monaten häufig wiederholt und ist ernst zu nehmen, denn in anderen Ländern wurde das Portal aufgrund solcher Regelungen bereits geschlossen. Und das hat auch langfristig negative Folgen gehabt.

Die Folgen wären vor allem für kleine Publikationen verheerend, da sie erst durch Google News die Aufmerksamkeit der Nutzer auf sich ziehen und so immer wieder neue Leser gewinnen können. Ist das nicht mehr gegeben, werden die Menschen wieder die Angebote der Großen direkt aufrufen, die am Ende als klarer Gewinner dastehen. Zwar werden auch sie viel Traffic verlieren, aber auf der anderen Seite auch viel gewinnen.



Folgt man nun der Logik des Leistungsschutzrechts, müsste jeder Feedreader ebenfalls zur Kasse gebeten werden, denn diese tun nichts anderes – und zeigen nicht selten auch noch Werbung zwischen den Inhalten an. Könnte man sich als normale Webseite überhaupt noch trauen, einen Link zu setzen und dabei den Titel des Ziels als Linktext zu verwenden? Der Unterschied ist wohl mehr als haarscharf und könnte im Extremfall die Gerichte für lange Zeit beschäftigen.

Nicht zu vergessen ist auch, dass man in Google News nicht einfach so aufgenommen wird. Jede Publikation muss sich dort anmelden und die Inhalte automatisiert per Feed an Google melden. Wer also nicht von Google „beklaut“ werden möchte, kann das mit wenigen Klicks ändern oder den Suchroboter sogar ganz einfach per robots.txt Datei aussperren. Davon zu sprechen, dass Google News Inhalte einfach abgreift ist mehr als Falsch, dürfte beim Entwurf des Gesetzes aber wohl keine Rolle gespielt haben.

Noch ist das Leistungsschutzrecht bzw. die gesamte Urheberrechtsreform nicht beschlossen, aber aktuell sieht es nicht gut dafür aus, dass es noch abgelehnt wird. Ein solcher Beschluss darf also nicht nur als das Ende großer Plattformen wie YouTube gesehen werden – zumindest in der aktuellen Form – sondern wird auch die Auswahl von redaktionellen Inhalten stark einschränken. Das kann eigentlich niemand wirklich wollen, denn am Ende gibt es fast nur Verlierer. Und EU-Europa verabschiedet sich weiter in Richtung digitale Steinzeit.

» EU-Leistungsschutzrecht: Google droht mit der vollständigen Einstellung von Google News in Europa

» ‚Das Ende von YouTube?‘ YouTube könnte die EU-Urheberrechtsreform und Uploadfilter nicht umsetzen

Und die Abgeordneten nehmen die Proteste nicht ernst…

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comment 5 Kommentare zum Thema "Leistungsschutzrecht und die Folgen: Irrwitzige Regeln, Traffic-Einbrüche & Google News vor dem Aus"

  • Via Google News verfolge ich ausschließlich englischsprachige Medien. Primär USA, sonst Rest der Welt, wenige UK. Wäre ich mit Standort D ebenfalls von einer Google News Einstellung betroffen? UK verläßt voraussichtlich die EU. Die Google News App kann, denke ich, auch auf apkmirror bezogen werden.

  • Können Verlage im neuen Gesetzesentwurf nicht auf das Leistungsschutzrecht verzichten? Wurde diese Ausnahmeregelung gestrichen? Weiß da jemand mehr?

    • Erst wurde es ausdrücklich untersagt, dann wurde das Verbot gestrichen, dann wieder diskutiert. Aktuell ist es nicht untersagt, aber das kann sich sehr schnell ändern.

  • Der Artikel beschreibt genau meine Meinung!
    Wir werden von weltfremden Politikern ohne Sachverstand regiert. Ist ja nicht nur das Leistungsschutzrecht.
    Die EU katapultiert sich langsam ins Abseits und zurück in die Steinzeit. Scheibchenweise verfallen wir in einen Zustand, den ich eher aus Diktaturen kenne. Und alles ohne wirklichen Widerstand…

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