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Google ohne Google+: Gleich mehrere aktuelle Produkte könnten eine Teil-Nachfolge antreten

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Nun ist es schon einen Monat her, dass Google die Einstellung von Google+ verkündet hat, die zwar erst mit einer langen Gnadenfrist von über 10 Monaten durchgeführt wird, aber dennoch jeden Tag näherrückt. Es stellt sich die Frage, wie diese Lücke im Google-Universum langfristig gestopft werden soll. Ein erneuter Anlauf scheint fast ausgeschlossen, bleibt also nur der Umbau bestehender Produkte – wobei es einige aussichtsreiche Kandidaten gibt. Diese decken allerdings nur Teilbereiche ab und müssten teils stark umgebaut werden.


Google hat in den 20 Jahren des Bestehens Hunderte Produkte und Dutzende Plattformen aufgebaut, unzählige davon auch wieder eingestellt und viele Märkte erobert, die bis heute beherrscht werden. Doch sobald das Wörtchen „Social“ ins Spiel kommt, scheinen alle Strategen des Unternehmens plötzlich vollkommen planlos und haben es trotz unzähliger Anläufe nicht geschafft, ein „Social Network“ aufzubauen oder (nach dem Ende von Google Talk & Hangouts) einen Messenger zu etablieren. Ob sich das jemals ändern wird?

Braucht Google unbedingt ein Social Network? Diese Frage können wohl nur die Strategen des Unternehmens beantworten, die sich – wie bei so vielen Dingen in den letzten Jahren – nicht auf eine klare Linie festlegen können. Google+ war längst nicht der erste Anlauf, wohl aber der mit Abstand bekannteste und erfolgreichste. Zuvor gab es schon Orkut, den Twitter-Klon Jaiku, den Supergau Google Buzz und auch Google Wave könnte man aufgrund der damals sehr unklaren Strategie in diese Aufzählung mit aufnehmen.

Die Strategen waren also der Meinung, dass Google ein solches Netzwerk benötigt, in dem viele Produkte und deren Nutzer zusammengeführt werden. Dass man es damals mit Google+ mehr als Ernst meinte, erfahren wir aus dieser Insider-Story. Und jetzt kommt man plötzlich ganz ohne eine solche Plattform aus? Kaum zu glauben. Man kann darauf wetten, dass es spätestens Ende 2019 (natürlich NACH der Einstellung von Google+, damit die Nutzer nicht so einfach wechseln können) einen neuen Anlauf geben wird. Aber wie könnte dieser aussehen?

Aktuell sieht es so aus, als wenn Google sich viele kleine Netzwerke aufbauen und diese nach Einsatzbereich getrennt betreiben möchte. Irgendwann wird man aber auch dabei nicht um eine Zusammenführung herumkommen. Hier einmal die Kandidaten für ein mögliches zukünftiges Netzwerk.



YouTube
YouTube gehört schon jetzt zu den populärsten Social Networks und baut diesen Status durch immer stärkere Community-Funktionen aus, die zwar noch sehr video-zentriert sind, aber längst auch abseits der Bewegtbilder verwendet werden können. Ziel war es, die Nutzer auch beim Teilen von Videos auf der Plattform zu halten – was offenbar sehr gut funktioniert. Mit einigen weiteren Anpassungen könnte ein Social Network für Videoinhalte daraus werden, ohne dass die reine Videoplattform dadurch verwässert würde.

Google Maps
Ja, auch Google Maps gehört spätestens seit der Einführung des Follow-Buttons in diese Auflistung. Da es tatsächlich noch kein bekanntes Netzwerk für das lokale Business gibt, hat Google hier gut Chancen, ein solches zu etablieren. Da der My Business-Bereich tatsächlich einmal Teil von Google+ war, ist der Gedanke auch gar nicht so abwegig. Die vielen neuen Sozialen Funktionen in Google Maps tragen dazu bei, dass sich auch dort langsam aber sicher Netzwerke bilden. Eine interessante Entwicklung, die wir natürlich weiter beobachten werden.

Gmail
War es damals eine gute Idee, Google Buzz auf der Basis von GMail aufzubauen? Ich weiß es nicht. Aber der grundlegende Gedanke war nicht verkehrt: GMail ist eine Kommunikationsplattform und auch heute noch ein beliebtes Medium, um Inhalte aller Art zu teilen. Da Google gerade dabei ist, den Posteingang zu revolutionieren und für den Nutzer E-Mails zu schreiben sowie völlig neue Interaktionsmöglichkeiten zu bringen, könnte man ein Netzwerk drumherum stricken, zu dem praktisch jeder Nutzer mit einer E-Mail-Adresse Zugang hat – quasi dezentral. Über den Sinn der Unsinn kann man streiten, aber sauber abgetrennt von der normalen Mail-Konversation wäre es zumindest eine Idee.

FriendlyPix
FriendlyPix ist nur ein Demo-Experiment von Google, aber das ist den aktiven Nutzern dieser Plattform offenbar völlig egal. Mit dem Instagram-Klon ließe sich einiges auf die Beine stellen, wenn Google denn eines Tages tatsächlich entscheiden sollte, mehr aus dieser Demo herauszuholen – es wäre nicht das erste Mal.

Posts on Google
Mit Posts on Google lassen sich Beiträge direkt in der Google Websuche veröffentlichen, die bei der Suche nach dem Namen der Person im Knowledge Graph erscheinen. Das ist allerdings eine sehr exklusive Funktion, die nur von „Promis“ genutzt werden kann und auch nur bei den häufig gesuchten Personen sinnvoll ist. Ob daraus eines Tages mehr wird? Möglich, aber dann mit einem anderen Zugang als nur durch eine Namenssuche.

Bulletin
Das Beste zum Schluss: Bulletin ermöglicht es jeder angemeldeten Person, Stories zu veröffentlichen, die sowohl in der Google Websuche zu finden sind, als auch auf anderen Netzwerken verlinkt werden können. Dabei handelt es sich um gehostete Inhalte – vergleichbar mit einem Google+ Post oder einem Artikel bei Blogger.com – mit denen sehr schnell sehr viele Menschen erreicht werden können. Das Tool befindet sich allerdings seit längerer Zeit in der Testphase und ist nur in 2 Städten (!) verfügbar.



Das waren jetzt nur die aussichtsreichsten Kandidaten, bei denen ein Ausbau der sozialen Funktionen sinnvoll sein könnte. Die beste Aussicht auf Erfolg hat noch Bulletin, das aber seit längerer Zeit in einer engen Testphase ist und jetzt eigentlich mir enormer Priorität weiterentwickelt werden sollte. Doch ich prognostiziere einfach einmal, das auch daraus nichts wird und die Strategen eher einen kompletten Neustart bevorzugen, für denen ihn dann aber langsam die Namen ausgehen.

Viele andere populäre Angebote wie etwa Google Photos oder Google Drive sind trotz Teilen-Möglichkeiten zu sehr auf die privaten Daten der Nutzer ausgerichtet. Sie fallen also heraus und sind kaum dafür geeignet, unter diesem Dach etwas Neues aufzubauen. Aber selbst wenn es Google gelingen sollte, ein neues attraktives Netzwerk auf die Beine zu stellen, hat man ein großes Problem: Vertrauen. Das hat man sich spätestens mit der Einstellung von Google+ verspielt, sodass es schwer wird, eine solch aktive und das Netzwerk voranbringende Nutzergruppe zu finden und erneut zu überzeugen.

Nichts davon wird DEM Sozialen Netzwerk Facebook weh tun, aber das muss es auch gar nicht. Das Zuckerberg-Netzwerk hat derzeit genügend eigene Probleme, muss aber natürlich nicht stur kopiert werden. Genauso wenig wie Facebook eine Web-Suchmaschine aufbauen muss. Die Territorien sind abgesteckt, also könnte Google ein Netzwerk nach den eigenen Bedürfnissen (und denen der Nutzer) aufbauen und muss nicht auf Teufel komm raus den Konkurrenten kopieren, dem ohnehin gerade die Nutzer davonlaufen.

Wie die Geschichte weitergehen wird, werden wir hier im Blog natürlich verfolgen (mit einem weinenden Auge für Google+). Eine mögliche Übernahme von Snapchat ist aber hoffentlich nicht der Ausgangspunkt für einen neuen Anlauf…

Siehe auch
» In eigener Sache: GoogleWatchBlog jetzt auch bei MeWe – einer der potenziellen Google+ Nachfolger
» Woran ist Google+ gescheitert? Auf der Suche nach dem wahren Grund für die Einstellung des Netzwerks
» Einstellung von Google+: Der Schaden ist angerichtet – wohin ziehen die vielen Communities?


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