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Chrome OS: Das Nischen-Betriebssystem – wann zieht Google den Stecker und was kommt danach?

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Wenn man alle Android-Ableger mit einschließt, hat Google mittlerweile mehr als eine Handvoll Betriebssystem im petto, die auf ganz unterschiedlichen Erfolgsebenen unterwegs sind. Ausgerechnet Chrome OS, das zweitälteste Betriebssystem nach Android, kommt seit Jahren nicht vom Fleck und befindet sich noch immer in der Nische. In dieser Woche wurden wieder neue Chromebooks vorgestellt, die an der prekären Situation aber nichts ändern dürften. Irgendwann muss man sich fragen: Wann zieht Google den Stecker?


In Googles Boomjahren traute man dem aufstrebenden Internetgiganten, der gefühlt jede Woche ein neues Produkt auf den Markt brachte, sehr viel zu – auch ein eigenes Betriebssystem. Google-Sprecher stritten immer wieder ab, jemals ein eigenes Betriebssystem entwickeln zu wollen. Heute haben wir eine lange Liste davon: Android, Android TV, Android Auto, Wear OS, Chrome OS, irgendwann mal Fuchsia und nicht zu vergessen die Smart Home-Plattformen.


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Mit Chrome OS wollte Google den Beweis antreten, dass die Nutzer in Zukunft nur noch einen Browser benötigen, um die wichtigen alltäglichen Computeraufgaben durchzuführen. Von der Arbeit mit Dokumenten über die Bildbearbeitung, dem Musik-Konsum bis zur Dateiverwaltung und den Spielen sollte alles in den Browser wandern. 2011 war man seiner damit noch ein wenig voraus, auch wenn die Entwicklung in diese Richtung längst absehbar gewesen ist.

Heute, neun Jahre später, ist Googles Prognose Realität. Viele Nutzer öffnen morgens ihren Browser und schließen ihn abends wieder – viel mehr muss der Computer gar nicht mehr können und das darunterliegende Betriebssystem ist für den durchschnittlichen Nutzer völlig irrelevant geworden. Doch konnte Google von diesem Weitblick bisher profitieren? Nein. In keinster Weise. Chromebooks und das Betriebssystem Chrome OS sind in der absoluten Nische.

Chrome OS ist lediglich im US-Bildungsmarkt etabliert und hat dort schon vor längerer Zeit sogar Apples Mac OS in die Schranken gewiesen. Schüler und Studenten arbeiten also verstärkt mit Chrome OS, nutzen dann aber zu Hause oder am späteren Arbeitsplatz doch wieder Windows oder Linux. Das ursprüngliche Microsoft-Erfolgsrezept geht für Google bisher nicht auf.

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Warum hebt Chrome OS nicht ab?
Der Misserfolg von Chrome OS ist tatsächlich sehr erstaunlich und aus vielerlei Gründen kaum nachvollziehbar. Dass der Ansatz 2011 belächelt wurde, ist verständlich, aber die Situation hat sich im Laufe des zweiten Jahrzehnts doch sehr stark geändert. Praktisch alle Google-Produkte abseits des Smartphones sind nur im Browser nutzbar. GMail, Google Drive, die Dokument-Apps, Google Kalender, Google Fotos & Co. sind sehr erfolgreich und haben zur Etablierung der Cloud beigetragen. An den Cloud-Zweifeln der Nutzer kann es also nicht liegen.

Die allermeisten Google-Nutzer dürften den Chrome-Browser verwenden und aus diversen Gründen keinen anderen Browser in Betracht ziehen – auch an dieser Stelle ist also Grund für eine Skepsis zu erkennen. Mit Stadia bringt Google nun sogar die Spiele in den Browser und nimmt somit auch die letzte Bastion ein, die noch für Windows sprach. Aber bekanntlich haben es auch Linux und Mac OS ohne die gigantische Masse an Spielen geschafft – als fest angezogene Handbremse kann also auch das nicht gelten.

Liegt es an der Verbreitung von Chrome OS? Höchstens in Europa. In den USA gibt es eine riesige Auswahl an Chromebooks und auch hierzulande sind häufig Chromebooks in den Top 10 zu finden. Erst vor wenigen Tagen haben die drei großen Hersteller Samsung, Lenovo und ASUS erneut neue Chromebooks vorgestellt, die sich mittlerweile etwas einfallen lassen und von der Windows- und Apple-Konkurrenz abheben müssen. Aber auch diese drei neuen Chromebooks werden an der Verbreitung von Chrome OS wohl nicht viel ändern können. Man muss sich fast schon fragen, ob Chromebooks für die Hersteller überhaupt ein lohnendes Geschäft sind.

Das hat sich Google sicher anders vorgestellt
Für Google kann das keine befriedigende Situation sein, denn Chrome OS ist praktisch das schwarze Schaf des gesamten Geschäfts: Android dominiert den Smartphone-Markt nach Belieben, der Chrome-Browser ist mit großem Abstand Marktführer und die vielen Google Web-Apps wie bereits erwähnt sehr erfolgreich. An potenten Hardware-Partnern quer durch alle Qualitäts- und Preisklassen mangelt es ebenfalls nicht. Alles Faktoren, die Chrome OS mitreißen und in die erste Reihe spülen sollten – es aber seit vielen Jahren nicht tun.

Im vergangenen Jahr wurde sogar Android auf den Tablets zugunsten von Chrome OS geopfert, was aber ebenfalls keinen Schub gebracht, sondern den Tablet-Markt eher noch weiter in Richtung Apple und iOS gespült hat. Alles was Google mit Chrome OS anfasst, geht in die Hose. Sehr überspitzt gesagt, aber tatsächlich zutreffend.

Chrome OS war eigentlich als Mittel zum Zweck konzipiert, um die Webdienste nach vorne zu bringen und die Bedeutung der Cloud zu unterstreichen, aber ausgerechnet das Werkzeug für diesen Weg bleibt auf der Strecke. Heute ist die Cloud etabliert, wenn auch nicht unumstritten, und das Ziel längst erreicht. Aus diesem Blickwinkel betrachtet muss man sagen, dass Google das Betriebssystem Chrome OS eigentlich nicht mehr benötigt.

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Wann zieht Google den Stecker?
Es ist eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis Google die Geduld verliert und bei Chrome OS den Stecker zieht, so wie bei vielen anderen Produkten. Dass das bisher nicht passiert ist, liegt vermutlich an drei Gründen: Chrome OS ist aufgrund der extrem Chromium-Nähe „leicht“ zu warten und quasi schon ein Nebenprojekt. Zweitens gibt es noch keinen würdigen Nachfolger, denn Android wird frühestens mit Android 11 für den Desktop bereit sein und drittens gehe ich auch ganz persönlich davon aus, dass Google-CEO Sundar Pichai seine schützende Hand über Chrome OS hält – denn mit diesem Produkt hat seine steile Google-Karriere begonnen.

Ich möchte Chrome OS an dieser Stelle nicht totschreiben, aber weil das Betriebssystem selbst nur die Hülle ist, die Web-Apps und Android-Apps ausführt, wäre es beliebig austauschbar. Ein Aus von Chrome OS kann also auch nur das Aus einer Marke sein, die durch ein Nachfolgeprodukt fortgeführt wird – die Frage ist nur: Welches? Android 10 ist für den Desktop bereit und dürfte mit Android 11 den großen Sprung wagen. Gut möglich, dass sich Android nun das zurückholt, was man vorübergehend auf dem Tablet-Markt an Chrome OS verloren hat.

Als zweiten Nachfolger muss man natürlich auch Fuchsia ins Spiel bringen, das dem Kern von Chrome OS doch sehr nahekommt und lange Zeit als Android-Nachfolger gehandelt wurde. Mittlerweile ist eine Chrome OS-Nachfolge wahrscheinlicher, denn auch Fuchsia setzt stark auf Web-Apps. Wenn Google also den Chrome-Browser zu Fuchsia bringt, könnten die Nutzer es durch die stark vereinheitlichten Oberflächen möglicherweise nicht einmal sonderlich bemerken, dass sie plötzlich ein anderes Betriebssystem verwenden. Ob sich Fuchsia dann leichter tun würde, steht wieder auf einem anderen Blatt.

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