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Android Milliarden-Strafe: Googles Geschäftsmodell steht auf der Kippe – mit großen Folgen für Android

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Was lange Zeit nur Spekulation war, ist gestern Wahrheit geworden: Die EU-Kommission hat Google zu einer Rekordstrafe verdonnert, die man dem Unternehmen aufgrund der App-Bündelung aufbürdet. Gleichzeitig müssen aber auch Auflagen erfüllt werden, die Googles gesamtes Businessmodell mit Android infrage stellen. Zwischen den Zeilen ist nun schon zu lesen, dass die Zeit des kostenlosen Android schon bald vorbei sein könnte.


Die EU-Kommission hat Google zu einer Rekord-Geldstrafe von 4,6 Milliarden Euro verdonnert und fordert gleichzeitig, dass innerhalb von 90 Tagen die Bündelung der Google-Apps mit dem Play Store beendet werden muss. Das bedeutet, dass Google den Smartphone-Herstellern die Vorinstallation der eigenen Apps nicht mehr vorschreiben darf. Und genau dieser Punkt trifft das Unternehmen deutlich härter als die Geldstrafe.

Google hat direkt nach der Urteilsverkündung mit einem Blogpost reagiert, in dem die Vorzüge des Ökosystems dargestellt werden, die es ohne Android in der Form vermutlich nicht geben würde. Darin wird auch erklärt, dass das Löschen und Downloaden einer App innerhalb von nur 30 Sekunden möglich ist – was am Beispiel des Chrome-Browsers mit Ersatz durch Opera gezeigt wird. Ganz so schnell ist es zwar nicht unbedingt möglich, aber der Weg ist deutlich leichter als auf anderen Plattformen.

Google steckt enorme Ressourcen und sehr viel Geld in die Weiterentwicklung von Android, für das man weder von den Nutzern noch von den Smartphone-Herstellern einen Cent verlangt und es vollkommen kostenlos anbietet. Die Hersteller haben jederzeit die Möglichkeit, sich das Betriebssystem zu nehmen und vollständig an Google vorbei Geräte mit Android auf den Markt zu bringen. Möchten sie den Play Store Vorinstallieren, dann greifen allerdings Googles Regeln.

Diese Regeln beinhalten unter anderem, dass eine Reihe weiterer Google-Apps vorinstalliert werden müssen – wie etwa der Chrome-Browser, GMail oder auch die Websuche und YouTube. Mit diesen Produkten verdient das Unternehmen Geld und kann die Entwicklung von Android querfinanzieren – das wird auch im Blogpost ganz direkt angesprochen.



Wenn die EU-Kommission nun dieses Geschäftsmodell verbietet, dann muss sich das Unternehmen neue Möglichkeiten suchen, mit Android Geld zu verdienen. Dabei droht Google-CEO Sundar Pichai zwischen den Zeilen damit, dass das Betriebssystem in Zukunft nicht mehr kostenlos angeboten werden kann. Das würde bedeuten, dass die Smartphone-Hersteller für jedes verkaufte Gerät eine Lizenzgebühr an Google zahlen müssen – ähnlich wie bei Windows & Co. Das reine AOSP-Projekt würden sie wohl kaum vorinstallieren.

Doch es wäre ausgerechnet auch das Ende der offenen Android-Systeme, die in der Urteilsbegründung der EU-Kommission mit angeführt werden. Plattformen wie etwa die Amazon-Version von Android auf den Fire-Tablets wären dann nicht mehr möglich, da Google das Betriebssystem nicht mehr kostenlos zum Download anbieten würde. Auch die populären Custom ROMS wären damit Geschichte und könnten nur noch aus illegalen Quellen bezogen werden.

Ein weiteres Problem ist die über Jahre gewachsene Verbindung zwischen den Google-Diensten und dem Android-Betriebssystem. Die Play Services bieten viele wichtige Frameworks und Funktionen für App-Entwickler und werden von sehr vielen Apps benötigt. Allerdings sind sie Teil des Play Stores und wären ohne vorinstallierten Play Store ebenfalls nicht mehr verfügbar. Viele Apps wären ohne dieses Framework zumindest vorübergehend nicht mehr nutzbar, bis es entsprechende Anpassungen gegeben hat.

Der nächste Punkt ist der Komfort der Nutzer: Sie würden plötzlich ein nahezu nacktes Android vorfinden, dass viele der häufig verwendeten Funktionen nicht mehr anbieten kann, sodass es nach jeder Einrichtung erst einmal zu einer Installations-Orgie kommen muss, um alle über die Jahre gewohnten Angebote wieder auf das Gerät zu bekommen. Tiefe Integrationen, wie etwa die des Google Assistant, könnten damit aber ebenfalls unmöglich werden.

Google hatte schon vor einiger Zeit einen interessanten Vergleich zwischen Android und iOS veröffentlicht, der allerdings niemals berücksichtigt wurde – was natürlich auch daran liegt, dass iOS einen vergleichsweise geringen Marktanteil hat und Apple somit keine marktbeherrschende Stellung bei den Smartphones einnimmt.



Google wird das Urteil anfechten, aber vermutlich wird sich an der Entscheidung nicht viel ändern. Es ist eine Hiobs-Botschaft für das gesamte Android-Ökosystem, das durch dieses Urteil vermutlich große Änderungen vor sich hat. Es könnte langfristig auch dazu führen, dass Google Android aufgibt und sich auf neue Möglichkeiten konzentriert, die Nutzer zu erreichen – siehe etwa Fuchsia, bei dem die Google-Anbindung allerdings noch deutlich tiefer geht.

Android ohne Google ist möglich, wird gerade in Europa aber vermutlich nicht funktionieren. Es wird interessant sein, welche Vorschläge das Unternehmen unterbreiten wird, um den Auflagen gerecht zu werden. Möglicherweise könnte man die gesamte Angelegenheit durch einen kleinen Trick aus der Welt schaffen: Google müsste den Smartphone-Herstellern Geld für die Vorinstallation der Google-Apps zahlen, womit das Unternehmen dann mit anderen Anbietern kämpft, die sich eine solche Vorinstallation ebenfalls viel Geld kosten lassen. Diesen Betrag wiederum könnte Google als Lizenzgebühr vom Hersteller verlangen.

Wenn es in der jüngsten Vergangenheit eine Zeit gegeben hat, um ein alternatives Betriebssystem zu etablieren – dann ist es jetzt. Auch für die Hersteller hat die heutige Entscheidung große Bedeutung, denn bisher verlassen sie sich darauf, dass Google das Betriebssystem weiter entwickelt und an sie ausliefert. Sollte das eines Tages nicht mehr der Fall sein, müssen sie Alternativen in der Hinterhand haben. Samsung hat seit langer Zeit Tizen, Huawei arbeitet an einem eigenen Betriebssystem und auch andere Hersteller dürften nun zumindest darüber nachdenken, Alternativen zu finden oder zu entwickeln.

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