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Stadia: Googles Spieleplattform steht unter Beschuss – Missverständnisse und unterschiedliche Erwartungen

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Googles Spieleplattform Stadia steht seit dem Start in der Kritik und wurde von einigen Beobachtern schon vor dem Start als Flop eingeordnet. Vor wenigen Tagen hat auch der CEO des Spieleentwickler Take Two in den Abgesang eingestimmt und sich sehr enttäuscht gezeigt. So langsam zeichnet sich ab, dass Stadia nur eine weitere Google-Plattform voller Missverständnisse und völlig unterschiedlicher Erwartungshaltungen aller Beteiligten ist.


Stadia hat gerade erst den halben Geburtstag gefeiert und steht nun schon seit über sechs Monaten für alle interessierten Nutzer zur Verfügung – eigentlich der richtige Zeitpunkt für ein erstes Fazit. Dass dieses Fazit nicht unbedingt positiv ausfällt, dürfte niemanden überraschen. Dass es aber von einigen Seiten so heftig ausfällt, ist dann doch schon wieder erstaunlich und zeigt, dass die Gräben zwischen einzelnen Beteiligten und Google schon sehr tief sein müssen.

Der Take Two-CEO hat vor wenigen Tagen richtig Dampf abgelassen und Stadia heftig kritisiert. Wenn man bedenkt, dass hier offiziell über einen potenziell wichtigen Geschäftspartner gesprochen wird, sind einige starke Worte gefallen. Für Stadia ist das natürlich nicht unbedingt förderlich, wenn Spieler ständig die mangelnde Spieleauswahl beklagen, Tester die Plattform zur Geisterstadt erklären und Geschäftspartner ebenfalls wenig Begeisterung zeigen. Aber das ist nun einmal die aktuelle Situation.

Google hat Anfang 2019 einen großen Hype rund um Stadia erzeugt und damit eine riesige Erwartungshaltung geschürt, die nicht gehalten werden konnte. Es war absehbar, dass Stadia einen holprigen Start haben wird und Googles Marketing sich vielleicht etwas sehr weit aus dem Fenster gelehnt hat. Es wurden Funktionen gezeigt, die bis heute nicht existieren und als die Zielmarke von einer Milliarde Spielern ausgegeben wurde, schwankten die Bewertungen zwischen grenzenlosem Optimismus und Größenwahn.

Was immer wieder vergessen wird ist, dass Stadia ein Google-Produkt ist. Google hat häufig ganz eigene Regeln, die für das Unternehmen funktionieren und schon viele erfolgreiche Produkte hervorgebracht haben, aber nur selten mit den Vorstellungen der Nutzer oder gar Geschäftspartner kompatibel sind. Und genau das ist auch bei Stadia passiert und zeigt, dass das Unternehmen vielleicht auch mal nach anderen Regeln spielen sollte.

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Take Two zeigte sich davon enttäuscht, dass Stadia mit angezogener Handbremse gestartet ist, was von Google wohl vorab anders an die Geschäftspartner kommuniziert wurde. Die Rede ist sogar von gebrochenen Versprechen und deutlich überzogenen Aussichten. Dazu muss man aber auch sagen, dass Google die Plattform ganz bewusst mit angezogener Handbremse gestartet hat, um die Infrastruktur zu testen und mit gesundem Wachstum auszubauen. Hätte man mehr gewollt, wäre Stadia Base von Beginn an zur Verfügung gestanden. Das mag grob betrachtet vernünftig sein, macht die Plattform gerade in den ersten Monaten oder gar Jahren nur wenig interessant.

Googles Produkte reifen beim Kunden
Google startet immer wieder Produkte mit Grundfunktionen, die im Laufe der Zeit immer weiter ausgebaut werden. Häufig gibt es ein Killer-Feature oder neue Ansätze, was auch bei Stadia der Fall war, aber die Produkte sind eigentlich niemals „fertig“. Und das ist schon der große Unterschied zu den Konsolen oder Gaming PCs. Der Nutzer kauft sich die Xbox oder PlayStation oder auch den Gaming PC und bekommt dann genau das, was der Hersteller versprochen hat. Natürlich gibt es hier und da Software-Update, aber grundsätzlich ändert sich nichts mehr.

Man kann argumentieren, dass Googles Produkte im Laufe der Zeit immer besser werden. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass sie zu Beginn auf der untersten Stufe beginnen, für die man als Nutzer auch bereit sein muss. Bei Stadia ist das eben problematisch, weil die Nutzer und Entwickler die fertigen Spieltitel haben, die dann aber nicht im vollen Umfang genutzt werden können. Dazu kommt, dass die Pro-Nutzer für Stadia zahlen und somit laufende Kosten haben. Steigen sie erst ein Jahr später ein, zahlen sie denselben Preis, bekommen aber sehr viel mehr geboten.

Es fehlen noch immer die Killer-Features
DAS größte Versprechen von Stadia hat Google bis heute nicht erfüllt: Die nahtlose Anbindung an YouTube. In den ersten Videos zur Präsentation im Frühjahr 2019 (!) haben suggeriert, dass die Spieler sich die Lets Play-Videos ansehen und direkt mit einem Klick in das Spielgeschehen eintauchen können. Mehr noch: Sie sollen in Live gestreamten Spielen ebenfalls direkt einsteigen und teilnehmen können. Wäre ein Wahnsinn und mit Sicherheit ein richtiger Boost für Stadia und auch für YouTube als Streamingplattform gegenüber Twitch & Co. Aber leider bis heute nicht verfügbar.

Man stelle sich nur vor, dass unter jedem YouTube-Video mit Gaming-Bezug ein großer Stadia-Button zu finden ist, der den Nutzer direkt in das Spiel bringt. Das wäre ein riesiger Boost für Stadia, der die Anzahl der Spieler stark erhöhen könnte – und somit ein echter Ausweg aus dem typischen Henne-Ei-Problem. Dass viele Spiele verwaist sind und man bei Multiplayer teils minutenlang auf Gegner warten muss, war ja eines der großen Kritikpunkte und ließe sich dadurch zumindest stark verbessern. Der Rest kommt dann von selbst.

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Google hat sich bisher nicht dazu geäußert, wann mit der YouTube-Integration oder der noch tieferen Einbindung des Google Assistant zu rechnen ist, was die ganze Sache nicht besser macht. Als Beobachter muss man einfach Geduld haben und darauf hoffen, dass es irgendwann kommt – obwohl man bei Google ja gerade auf langfristige Versprechen nicht immer wetten sollte. Gut möglich, dass eines Tages entschieden wird, dieses Feature doch nicht anzubieten oder die technischen Hürden so groß sind, dass es noch Jahre dauern wird. Also: Geduld.

Problem: Die Partner können keine Geduld haben. Mit Partner meine ich sowohl Entwickler als auch Spieler. Die Entwickler geben sehr viel Geld für die Entwicklung der Spiele aus und können nicht warten, bis Google irgendwann für einen Schub an Spielern sorgen wird. Denn die wollen dann natürlich neue Titel und nicht die alten Schinken. Bei den Spielern hält sich das finanzielle Risiko natürlich in Grenzen, aber auch sie zahlen zehn Euro im Monat und müssen sich gedulden. Und Google wiederum entwickelt „blind“ weiter, ohne nach Links und Rechts zu schauen, so wie man es sehr häufig tut und somit vielversprechende Produkte vor die Wand fährt.

Also tun beide Seiten das einzig sinnvolle: Die Spieler schauen sich Stadia erst an, wenn es „fertig“ ist und alle versprochenen Features besitzt. Die Entwickler hingegen kommen dann zu Stadia, wenn genügend Spieler auf der Plattform sind und somit die Aussicht auf Erfolg sehr gut ist. Das ist allerdings ein Kreislauf, der nicht so leicht zu durchbrechen ist. Das traurige daran ist, dass Google alle Mittel hätte um Stadia zum Erfolg zu führen: Geld, YouTube, nahezu unbegrenzte technische Ressourcen und eine unglaubliche Reichweite. Man muss es nur irgendwann erkennen…

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