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Picasa: Googles (leider) vergessene Fotoverwaltung für den Desktop

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Im Juli 2004 hat Google das Unternehmen LifeScape übernommen und dessen Hauptprodukt, das ursprünglich als Shareware vertrieben wurde, kostenlos allen Nutzern zur Verfügung gestellt: Picasa. In den folgenden Jahren war die Software zur Fotoverwaltung ein viel beachtetes Tool und wurde von Google über lange Jahre weiter entwickelt und hat sich fast schon zu einem Standardwerkzeug entwickelt. Doch Anfang 2012 ist die Entwicklung dann plötzlich eingeschlafen und mittlerweile ist die Software hoffnungslos veraltet – aber warum eigentlich?


Die Organisation von Fotos war schon immer eine große Herausforderung und hat viele Nutzer vor große Probleme gestellt: Sortiert man die Fotos nun chronologisch, nach Personen, nach Anlässen oder nach Orten? Wie sollen die Unterordner angelegt werden und wie sollen die Fotos bezeichnet werden? Spätestens wenn man dann zum ersten mal die gesamte Fotosammlung neu organisieren musste, dürften sich viele Nutzer nach einer Alternative umgesehen haben – und da kam in vielen Fällen eben Picasa als erste Wahl zum Einsatz.

Mit Picasa lässt sich das Problem nun sehr einfach lösen, denn innerhalb der App lassen sich ganz eigene Organisationen aufbauen, die den eigentlichen Speicherort auf der Festplatte nicht beeinflussen. Außerdem lassen sich die Fotos auch beliebig taggen, Gesichter markieren und Beschreibungen hinzufügen. Die gesamte Datenbank kann auch sehr einfach über die Suchfunktion durchsucht werden, so dass sich Fotos sehr schnell wiederfinden lassen. Oben drauf bringt Picasa dann neben den starken Verwaltungsfunktionen auch grundlegende Bearbeitungsmöglichkeiten mit. Mit der Software lassen sich sehr einfach die Farbwerte, Helligkeit, Schärfe usw. bearbeiten, einfache Effekte anwenden und auch sehr einfach Collagen erstellen. Auf die einzelnen Funktionen möchte ich hier aber gar nicht weiter eingehen.

Da die Fotoverwaltung in den folgenden Jahren sich dann auch immer weiter ins Internet verlagert hat, und die Nutzer ihre Fotos natürlich auch teilen wollten, gingen dann im Juni 2006 die Picasa Web Albums online, mit denen sich die Fotos direkt aus der App heraus sehr einfach hochladen ließen. Zum Anfang gab es hier nur 250 MB Speicherplatz, der im späteren Verlauf immer weiter aufgestockt worden ist. Die Web Albums waren zwar ein völlig eigenständiges Produkt, waren aber dennoch tief mit Picasa verbunden und ermöglichten auch eine Synchronisation zwischen den Online und Offline gespeicherten Funktionen.

Gute fünf Jahre später wurden die Web Albums dann durch die Google+ Photos ersetzt, die heute wiederum durch Google Photos ersetzt wurden, und waren Online kaum noch nutzbar. Mittlerweile sind die Web Albums zwar seit einigen Tagen wieder vollwertig nutzbar, aber ob dies von Google tatsächlich beabsichtigt war oder nur ein Entwickler versehentlich ein altes Software-Backup eingespielt hat ist vollkommen unklar. Im Zuge dessen ist dann natürlich auch der Namensgeber der Online-Galerien wieder ins Gespräch gekommen, und so ist aufgefallen dass Picasa seit über zwei Jahren kein Update mehr bekommen hat und bei Version 3.9.137 stehen geblieben.

Lässt Google Picasa einen langsamen Tod sterben?
Nun könnte man natürlich behaupten dass Picasa in der aktuellen Form ausreichend entwickelt ist und keines dringenden Updates bedarf, aber dem ist natürlich nicht so: Noch immer hat Picasa nichts von Google Photos gehört und verlinkt weiter die Google+ Photos, was vor allem beim Upload mit dem Speicherplatzkontingent Probleme macht. Auch die Gesichts- und Bilderkennung die Google Online mittlerweile bietet ist in der Desktop-Version längst nicht so ausgereift bzw. gar nicht existent. Eine Reihe von experimentellen Features funktionieren ebenfalls nur mehr Schlecht als Recht und die Online-Bestellung von Fotos funktioniert nur noch sporadisch.

Die Homepage, seit zwei Jahren nicht mehr aktualisiert.

Auch die Homepage von Picasa sieht nicht besser aus und preist das „neue“ Google+ an, inklusive eines sehr veralteten Screenshots von Googles Social Network – das ja mittlerweile ebenfalls ins Taumeln geraten ist. Auch von Microsofts Betriebssystem Windows 8 hat die Homepage noch nichts gehört, und so verkündet man bis heute fröhlich dass die Software auf XP, Vista und 7 lauffähig ist.

Warum also lässt Google so ein eigentlich mächtiges, und sicherlich bis heute beliebtes, Tool einfach sterben? Natürlich möchte man sich auf den Online-Bereich konzentrieren und die Fotoverwaltung direkt in die Cloud und in den Browser verlagern. Aber ein Großteil der Nutzer dürfte seine Fotos natürlich auch weiterhin noch auf der heimischen Festplatte gespeichert haben und diese dort ebenfalls verwalten wolle. Mit einer vernünftigen Online-Anbindung, und einer ausgereiften Synchronisation mit den Google Photos, kann so ein Tool auch heute noch Gold wert sein. Sehr wahrscheinlich würde eine solche Desktop-Anwendung auch noch mehr Nutzer zur Nutzung der Cloud-Lösung bewegen.

Ohnehin scheint Google aber das Interesse an seinen Desktop-Apps vollständig verloren zu haben: Erst vor wenigen Tagen musste man sich selbst eingestehen, dass man beim zehnten Geburtstag von Google Earth nicht viel mehr als einen neuen Sammel-Layer bieten konnte. Die Desktop-Abteilungen mit Earth, Picasa – und einstmals auch das beliebte Google Desktop, scheint also vollständig ausgestorben zu sein – und selbst eine Pflege der noch existenten Software scheint es nicht mehr zu geben.



Picasa wird auch heute noch gebraucht
Wer schon einmal versucht hat, eine Reihe von Ordnern bzw. Alben in die Google(+) Photos hochzuladen, wird wissen dass es mit Picasa sehr viel einfacher vonstatten geht als über den Browser-Upload. Statt jede Galerie einzeln erstellen und die Fotos hochladen zu müssen, lässt sich das ganze bei Picasa sehr einfach per Batch erledigen. Bei sehr vielen Alben und Galerien kann man außerdem schon sehr leicht den Überblick verlieren, mit Picasa hingegen lässt sich sofort an dem kleinen grünen Pfeil auf dem Foto sehen, ob das Foto bereits Online hochgeladen wurde oder eben noch nicht.

Viele der von Picasa bekannten Funktionen haben auch heute noch nicht den Weg in den Browser und die Online-Fotoverwaltungen gefunden, wie etwa das einfache Erstellen von Collagen oder Videos. Das Drucken aus dem Browser heraus ist auch heute noch ein großes Problem und spätestens wenn dann einmal ein Foto ganz klassisch eingescannt werden soll, steigt auch der letzte Browser aus. Durch eine vernünftige Desktop-Anbindung, die man mit Picasa InHouse hat, könnte dies sehr einfach gelöst werden. Doch offenbar hat Google das gesamte Software-Paket ersatzlos gestrichen und nur durch den Google Photos Auto Backup ersetzt. Das Tool tut zwar was es soll, ist aber dennoch eher ein schlechter Witz.


Ich persönlich würde nicht mehr davon ausgehen dass Picasa noch einmal ein Update bekommen wird, und auch das Wiederaufleben der Web Albums – das bis heute eher mysteriös ist – ist nicht unbedingt als Lebenszeichen zu werten. Viel mehr dürfte das Tool bei einem der nächsten Frühjahrsputz-Aktionen aufgelistet werden. Die Linux-Version hat man schließlich schon Anfang 2012 eingestellt und auch die Mac-Version wurde damals stark beschnitten. Und anschließend hat man auch von der Windows-Version nichts mehr gehört, wenn man mal von dem Auto Uploader absieht. Wirklich sehr schade.

» Picasa


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